© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Dünste des Genusses
„Slowfood“ mit jahrtausendealter Tradition: Neue Geschmacksoffensiven beim Räuchern
Matthias Bäkermann

Der dichte weiße Qualm dringt durch die Ritzen des Metallgehäuses und schwängert die ganze Gartenluft mit einem unnachahmlich würzigen Geruch. Das Aroma des Fleisches, dazu die Kräuter und Wacholderbeeren, die vielen Gewürze und nicht zuletzt die rauchige Note der Buchenholzkohle und der Räucherspäne regen alle Gaumensäfte zum Fließen an.

Doch noch muß man sich in Enthaltsamkeit üben. Selbst der verlockende Blick auf das schmackhafte Mahl, dessen Vollendung sich noch lange, sehnsüchtige Stunden verzögern soll, muß unterbleiben, soll das Werk gelingen. Auch das unrastige Umherdrehen der Fleischstücke auf einem Metallrost, bei denen die Freunde des Grillens bei der rasch entstehenden Röstkruste auf den Garungsgrad schließen können, kann die Zeit bis zum Genuß nicht verkürzen. Beim Räuchern gilt das Gourmet-Motto der Slowfood-Bewegung nicht nur sprichwörtlich: Qualität braucht Zeit.

Räuchern war eine gängige Methode der Konservierung

Wie Fundorte von Feuerstellen mit Nahrungsresten beweisen, haben Menschen schon in der Steinzeit den Rauch als Zubereitungsart erkannt. Primär galt dieses Verfahren der Konservierung, um über längere Zeit den Bedarf an tierischem Eiweiß sicherzustellen. Und bis der deutsche Ingenieur Carl von Linde vor über 150 Jahren auch dem Mitteleuropäer die Kühlung in die Küche brachte, war Räuchern neben Pökeln und Trocknen auch hierzulande die gängige Methode, um Fleisch über den Schlachttag hinaus haltbar zu machen. Meist beschränkte man sich auf das Kalträuchern, wie es heute immer noch bei Schinken oder Mettwurst gang und gäbe ist.

Kenner nehmen Espenspäne – ein Gaumenkitzel de luxe

Seitdem der Handel praktische Räucheröfen anbietet, kann sich aber auch der Laie dem Heißräuchern zuwenden. Anders als beim Kalträuchern, wo über Monate hinweg das Fleisch in Räucherkammern oder auch in der Diele im Rauch reift, verkürzt beim Heißräuchern die Temperatur von 50 bis 80 Grad den Prozeß auf wenige Stunden. Als bewährtes Modell reicht schon ein zusammenbaubarer Blechofen im Stecksystem von etwa einem Meter Höhe, der in jedem gutsortierten Baumarkt schon ab 50 Euro erhältlich ist. Darin befindet sich am Boden eine Grillschale, wo handelsübliche Buchenholzkohle entzündet wird. Darüber hängt eine Schale, in der Wasser austretendes Fett des Räucherguts auffängt. Unter dem runden Deckel ist dann Platz für zwei Roste Fleisch oder Fisch. Ist die Kohle weißglühend, werden darauf vorher gewässerte Holzspäne verstreut. Schnell sollte nun die Fangschale mit siedendem Wasser und das vorbereitete Räuchergut über der Hitzequelle postiert werden. Die Glut versorgt sich durch kleine Klappen ausreichend mit Sauerstoff, auch nachdem der Deckel den Ofen abschließt.

Die Holzart der Späne ist übrigens wichtig für den richtig aromatischen Rauch. Kenner verwenden Zitterpappel (Espe). Da diese selten verfügbar ist, darf man aber auch auf speziell aufbereitete Holzspäne aus dem Baumarkt zurückgreifen. Was für das Grillen bei der Vorbereitung der verwendeten Speisen gilt, hat beim Räuchern erst recht seine Bewandtnis. Richtiges Parieren und Marinieren der einwandfreien Ware verspricht höchsten Gaumenkitzel. Während Fisch mit ordentlich Salz, etwas Thymian und einem Rosmarinzweig ausreichend präpariert ist, sollten Schweinefleisch oder Hähnchen lieber über Nacht in einer Lake aus Salzwasser und Essig ziehen. Wenn man dazu Senfsaat, Piment, Lorbeer, Zwiebeln und Knoblauch gibt und auch mit passenden Kräutern nicht geizt, ist das Geschmackserlebnis fast sichergestellt. Wer mag, sorgt mit einigen Piri-Piri-Schoten für den gewünschten Scoville-Wumms.

Alles weitere ist dann nur noch eine Frage der Zeiteinteilung, insbesondere wenn man jemanden zum Essen geladen hat. Es empfiehlt sich aber, auch den Gast ein klein wenig an der Vorfreude vor dem qualmenden Räucherofen teilhaben zu lassen. Mit einem kühlen Glas Bier oder gar einer guten Zigarre ist jede Wartezeit schnell überbrückt.

www.kalt-heiss-raeuchern.de

Foto: Man muß sich auch mal selbst was gönnen: Wurst und Schinken im Rauch (o.), Holzspäne im Räucherofen

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