© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

Geheiratet, um zu bleiben
Integration: Viele Einwanderer finden ihren Ehepartner in der alten Heimat
Christian Schreiber

Ist es eine Form der Einwanderung, die Deutschland nutzt? Wer kommt überhaupt? Und über welche Qualifikationen verfügen sie? Diese Fragen zu beantworten, bemüht sich eine Studie zum Nachzug von Ehegatten von Einwanderern, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der vergangenen Woche vorstellte. Rund 350.000 Ehepartner sind in den Jahren zwischen 2005 bis 2013 in die Bundesrepublik eingewandert. Für die Studie hat die Behörde 2.497 Personen aus zahlenmäßig relevanten Drittstaaten befragt, die im untersuchten Zeitraum nach Deutschland gekommen sind.

Ehepartner aus dem Ausland kommen überwiegend als junge Erwachsene nach Deutschland. Das durchschnittliche Einreisealter der befragten Personen betrug 28 Jahre. Über 80 Prozent waren bei ihrer Einreise zwischen 18 und 34 Jahre alt. Auffallend ist der überdurchschnittlich große Kinderwunsch der Befragten. Mehr als 80 Prozent gaben an, entweder bereits Kinder zu haben oder sich welche zu wünschen. Innerhalb der einheimischen Altersgruppe liegen die Werte wesentlich niedriger. „Unsere Daten aus der Heiratsmigrationsstudie zeigen, daß es wichtig ist, auf das Potential zu blicken, das Ehegattinnen und Ehegatten aus dem Ausland mitbringen“, unterstreicht Manfred Schmidt, Präsident des BAMF. „Fast alle kommen in einem noch jungen Alter nach Deutschland. Viele sind schulisch gut ausgebildet. Mehr als die Hälfte bringt einen beruflichen Ausbildungs- oder Studienabschluß mit.“

Die Mehrzahl der Befragten gab an, die Lebensplanung auf einen langfristigen Aufenthalt in Deutschland ausgerichtet zu haben; rund die Hälfte geht davon aus, dauerhaft hier zu bleiben. Daher wird die Verbesserung der Sprachkenntnisse auch als wichtige Voraussetzung einer gelungenen Integration empfunden. Die Sprachpraxis wirkt sich dabei auf die Deutschkenntnisse aus. Dies betrifft zum einen die Frage, ob mit dem Partner auf deutsch gesprochen wird. Dies sei vor allem bei interethnisch verheirateten Paaren der Fall. Auffallend ist zum anderen aber auch, daß die Befragten ihre Deutschkenntnisse besser bewerteten, die außerhalb der Familie häufige Kontakte mit Deutschen haben. Insbesondere der Arbeitsplatz erweist sich diesbezüglich als hilfreich.

Außerhalb des beruflichen Umfelds ist die Integration dagegen nicht so weit fortgeschritten wie häufig propagiert. Die deutliche Mehrheit der Befragten hat in ihrem sozialen Umfeld zwar regelmäßig lose Kontakte zu Deutschen ohne Migrationshintergrund. Engere freundschaftliche Kontakte kommen indessen deutlich seltener zustande. Das BAMF fordert daher bessere Unterstützungsangebote für Einwandererfrauen mit Kindern, um sich besser sozial vernetzen zu können.

Schulisch sind die Ehegatten aus dem Ausland laut Studie in aller Regel zumeist gut ausgebildet. Knapp die Hälfte hat in ihrem Herkunftsland eine Hochschulzugangsberechtigung erworben, ein weiteres Viertel einen mittleren Schulabschluß. Ohne einen formalen Abschluß hat lediglich jeder zehnte die Schule verlassen. Aus einigen Herkunftsländern, etwa aus Indien oder Pakistan, verfügen deutlich über die Hälfte der zugewanderten Frauen über eine Hochschulreife. Am niedrigsten ist der Anteil bei Ehegattinnen aus Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo mit rund 26 Prozent.

Doch die schulische Qualifikation kann nicht über das Phänomen von „nichtqualifikationsadäquater Beschäftigung“ hinwegtäuschen. Über 70 Prozent der berufstätigen Männer aus dem Ausland arbeiten in sogenannten einfachen Berufen. Da sich diese Beobachtung nicht auf beruflich Geringqualifizierte beschränkt, bleibt die Feststellung, daß mangelnde Sprachkenntnisse oder die Nichtakzeptanz des Abschlusses im Herkunftsland dazu führt, daß sich Einwanderer beruflich sprichwörtlich unter Wert verkaufen. Das BAMF will dieses Problem durch eine frühzeitige Beratung und Qualifizierungsangebote lösen. „Die Potentiale sind längst noch nicht ausgeschöpft“, sagt Schmidt.

Foto: Deutsch-indische Sikh-Hochzeit in Berlin: Überdurchschnittlich großer Kinderwunsch

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