© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

Unter Verdacht
Bundestagswahl: Der Wahlprüfungsausschuß des Bundestages sieht nach Prüfung von Einsprüchen alle Fälschungsvorwürfe entkräftet
Lion Edler

Nun ist wohl endgültig nichts mehr zu rütteln am Ergebnis der Bundestagswahl 2013. Nachdem von Bürgern 223 Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl eingereicht wurden, gab der Wahlprüfungsausschuß des Bundestages jetzt das Ergebnis der jetzt zur Beschlußfassung vorgelegten 84 Wahlprüfungsverfahren bekannt – mit eindeutigem Ergebnis: Alle Einsprüche wurden entweder zurückgewiesen, oder das Verfahren wurde wegen Unbegründetheit eingestellt.

Besonders aus dem Umfeld der Alternative für Deutschland (AfD) war immer wieder der Verdacht geäußert worden, die knapp an der Fünfprozenthürde gescheiterte AfD sei bei der Wahl benachteiligt worden (JF 41/13). So bemängelt eine Frau aus dem schleswig-holsteinischen Großenbrode, daß die Wahlzettel in einem dortigen Wahllokal am unteren Rand gefaltet gewesen seien, so daß einige Parteien – darunter auch die AfD – erst beim Aufklappen des Wahlzettels zu sehen gewesen wären. Doch der Wahlprüfungsausschuß sieht darin keine unrechtmäßige Wettbewerbsverzerrung. Da die Einspruchsführerin bezüglich der Auswirkung der gefalteten Wahlzettel nur „bloße Vermutungen“ aufbieten könne, müsse man den Einspruch „als unsubstantiiert zurückweisen“, erklärte der Ausschuß.

Ein anderer Bürger behauptete, daß die AfD in einem Wahlkreis zwar 65 Stimmen bekommen habe, doch seien offiziell null Stimmen mitgeteilt worden. Außerdem bestünden Zweifel, daß nur Deutsche gewählt hätten, da die deutsche Staatsangehörigkeit nur durch einen Staatsangehörigkeitsausweis und nicht etwa durch einen Personalausweis oder einen Reisepaß belegt werden könne. Darüber hinaus seien in Hamburg rund 103.000 Briefwahlstimmen verlorengegangen. Doch auch diese Bedenken überzeugten den Ausschuß nicht. Zwar hatte das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein tatsächlich zunächst in einer Pressemitteilung erklärt, daß bei der veröffentlichten Wahlanalyse zum vorläufigen Endergebnis eine falsche Zahl der Briefwähler angegeben worden sei. Eine Überprüfung habe jedoch ergeben, daß die entsprechende Abfrage der Datenbank versehentlich so programmiert worden sei, daß nicht alle Briefwahlbezirke einbezogen wurden. 268.504 Wähler hätten von ihrem Wahlrecht per Brief Gebrauch gebracht – nicht 198.739 wie zunächst angegeben. Die Befürchtung, daß Briefwahlstimmen unberücksichtigt blieben, treffe nach Ansicht der Statistikbehörde nicht zu. Zu den vermeintlich verschwundenen 65 AfD-Stimmen merkt der Wahlprüfungsausschuß an, daß im Wahleinspruch „keine Orte“ genannt würden, sondern nur „Vermutungen oder die bloße Andeutung“ vorlägen, weshalb der Einspruch ebenfalls abgewiesen werden müsse. Im übrigen sei es falsch, daß jeder Wähler für die Wahlteilnahme einen Nachweis über seine Staatsangehörigkeit zu führen habe. Denn nach dem Bundeswahlgesetz (BWG) könne jeder Bürger wählen, der in ein Wählerverzeichnis eingetragen ist oder einen Wahlschein hat.

Einige Wahleinsprüche dürften wohl auch durch die Enttäuschung über den knapp verpaßten Bundestagseinzug der AfD zu erklären sein. So behauptet ein Bürger, daß der Gesetzestext des Bundeswahlgesetzes unter der Fünfprozenthürde eine „gerundete Zahl ohne Dezimalstellen“ verstehe. Nachdem sowohl die AfD als auch die FDP „nach kaufmännischer Rundung eindeutig mindestens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten“ hätten, habe sich der Bundeswahlleiter „aus unerfindlichen Gründen jedoch dafür entschieden, auf acht Nachkommastellen zu runden“. Der Wahlprüfungsausschuß hält dagegen: „Eine Aufrundung sieht die Vorschrift gerade nicht vor.“ Der Bundeswahlleiter habe sich somit „bei der Sitzverteilung rechtmäßig verhalten“.

Neben manchen zumindest nachvollziehbaren Einsprüchen finden sich auch viele Kuriositäten. So meint ein Einspruchsführer, daß jene Volksgruppen von der Wahl ausgeschlossen würden, die „per Definition zu Deutschland gehörten, nämlich die Bürger Pommers, Schlesiens und Ostpreußens“. Die Definition des Deutschen Reiches „alias Deutschland“ sei jedoch in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 festgelegt, weshalb die Vorgabe mißachtet werde, daß man für die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts Deutscher sein müsse. Und überhaupt: Die Wahl sei nicht frei gewesen, da sämtliche „Mainstream-Medien“ gleichgeschaltet zur Wahl aufgerufen hätten. So habe die Bild-Zeitung mit ihrer Kampagne „die Wähler schwer genötigt“.

Doch der Ausschuß zeigt sich auch hier stur: Es bleibe offen, „welchen Personenkreis der Einspruchsführer genau mit den von ihm genannten angeblich wahlberechtigten, aber beim Versand von Wahlbenachrichtungen ausgelassenen deutschen Volksgruppen in Pommern, Schlesien und Ostpreußen entsprechend den Grenzen vom 31. Dezember 1937 meint“. Davon abgesehen, daß diese Gebiete völkerrechtlich nicht zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gehörten, seien deutsche Staatsbürger überall auf der Welt unter den Voraussetzungen des Bundeswahlgesetzes wahlberechtigt.

Foto: Stimmenauszählung nach der Bundestagswahl 2013: Ohne Pommern, Schlesien und Ostpreußen

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