© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

Wenn die Dollarnoten vom Himmel fallen
Botschaften mit dem Wind: Im letzten Jahrzehnt etablierte sich eine Aufklärungsstrategie aus Südkorea für die Landsleute im Norden per Ballon
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Im April 2007 schlossen sich in Südkorea mehrere Organisationen nordkoreanischer Flüchtlinge zusammen und begannen mit subversiven Aktivitäten gegen die kommunistische Diktatur in ihrer bisherigen Heimat. Finanziert werden sie durch Spenden von Landsleuten in den USA, auf Taiwan und ebenfalls aus Europa, wie zumindest offiziell verlautet.

Ihre Hauptwaffe sind Flugblätter, welche mit großen Luftballons in jene „Demokratische Volksrepublik Korea“ verschickt werden und dort über einem in etwa bestimmbaren Gebiert zerplatzen und ihre verschiedenartigen Botschaften dann aus dem Himmel fallen lassen. Die Auflagen betragen durchschnittlich 200.000 pro Monat. Neuerdings wird die Zahl allerdings nicht mehr öffentlich genannt, gewiß um der nordkoreanischen Geheimpolizei keinerlei Anhaltspunkte zu geben.

Teils sind die Flugblätter auf sehr dünnem und wasserfestem Papier gedruckt. Sie stammen durchweg von der Gruppe „Kämpfer für ein freies Nord-Korea“, die in längeren Artikeln der Diktatur ihre einstigen vollmündigen, aber nie erfüllten Versprechen vorhält, Vergleiche zwischen dem Alltag in den beiden Landesteilen zieht und die allgemeine Weltlage kommentiert. Andere erinnern an das prassende Luxus-Leben der Kim-Dynastie sowie ihrer Bonzen und im krassen Gegensatz dazu die unterernährten Zwangs-Untertanen.

Auf gleichem Luftwege werden kleine Radioempfänger in den Norden gebracht sowie – bei Seuchen in einzelnen Regionen – Medikamente und Lebensmittelrationen. Selbst kleine DVDs mit Aufzeichnungen aus dem südkoreanischen Fernsehen nehmen ihren Weg nördlich des 38. Breitengrades. Um beim Aufprall auf die Erde nicht beschädigt zu werden, hat man sie mit einer stärkeren watteähnlichen Umhüllung versehen, andere sind an kleinen Fallschirmen befestigt.

Pjöngjang nimmt Agitation aus dem Süden sehr ernst

Neuerdings beginnt ihr Inhalt mit nordkoreanischer Propaganda, dann erst folgt der eigentliche Text, um bei Kontrollen der Geheimpolizei eine Entdeckung zu vermeiden. Am beliebtesten aber sind zweifellos echte Geldscheine im Wert von einem US-Dollar, die ebenfalls schon wiederholt buchstäblich aus den Wolken fielen: Sie öffnen in der „Demokratischen Volksrepublik Korea“, einem der korruptesten Länder der Welt, sehr viele Türen. Zudem kann man damit in den für Partei-Bonzen und Ausländer bestehenden Luxus-Läden sonst unerreichbare Waren kaufen.

Eine weitere Art der Aufklärung für Nordkorea sind illegale Radiostationen im Süden. Ihr wohl wichtigster Sender ist „Freies Nord-Korea“, dessen Redaktion sich im Bezirk Mok-dong der Hauptstadt Seoul befindet, dessen Programme angeblich aber via Japan ausgestrahlt werden. Er sendet bereits seit 2004 täglich fünf Stunden. Schon ein Jahr später entstanden „Offenes Nord-Korea“ sowie „Radio Freies Chosun“ mit ihren zwei bzw. dreistündigen Tagessendungen. Vor fünf Jahren meldete sich erstmals das „Radio für Reformen in Nord-Korea“, welches sich speziell an die kommunistische Führungsschicht im Norden wendet. Daß diese Sendungen dort heimlich gehört werden, bestätigen manche Flüchtlinge; Schätzungen über Umfang und Wirkung sind jedoch ungewiß.

Offiziell nimmt Seoul diese Aktivitäten zur Kenntnis, es gibt indes keinerlei Unterstützung. Forderungen Pjöngjangs, jene zu verbieten, weist Südkorea unter Hinweis auf die freie Meinungsäußerung zurück. Unter der vorigen Regierung wurde jedoch einmal eine großangelegte Aktion verboten angesichts einer massiven Kriegsdrohung der „Demokratischen Volksrepublik Korea“. Zudem drohte das Kim-Regime wiederholt mit der militärischen Zerstörung der Basen, von denen aus jene Ballons gen Norden gestartet werden. Es gab mehrfach Todesdrohungen gegen die Anführer der Organisationen, einmal sogar einen Mordanschlag. Im Norden Koreas selber sind der Besitz von Flugblättern und das Abhören jener Sender strafbar. Oftmals wird das Militär zum Absuchen „verseuchter“ Gebiete eingesetzt. Seit April 2010 reagieren die Medien Pjöngjangs öffentlich auf die Aktivitäten aus dem Süden, sicherlich konnte man sie nicht länger vor der Bevölkerung verschweigen. Zugleich ist es ein indirektes Eingeständnis der Wirkung dieser „Hetze“.

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