© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/14 / 23. Mai 2014

Endspurt unter Feuer
Europawahl: Die AfD versucht das Beste aus den Anfeindungen der politischen Gegner zu machen
Marcus Schmidt

Wenn mediale Aufmerksamkeit heutzutage die harte Währung des Wahlkampfes ist, dann ist die AfD eine reiche Partei. In der Endphase des Europawahlkampfes verging kaum ein Tag, an dem nicht in den meinungsführenden Medien über die Euro-Kritiker berichtet wurde – oft indes mit einem negativen Tenor. Diese umfangreiche Berichterstattung ging einher mit zahlreichen Angriffen und Störungen von Linksextremisten auf AfD-Veranstaltungen.

Für die Euro-Kritiker politisch bedeutender waren indes die Reaktionen der anderen Parteien. AfD-Sprecher Bernd Lucke sprach in diesem Zusammenhang von „unflätigen Beschimpfungen“ und meinte damit insbesondere die Äußerungen der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die der AfD vorgeworfen hatte, sich am Rande der Verfassungsfeindlichkeit zu bewegen. Überraschend kamen die scharfen Angriffe der etablierten Parteien für die AfD-Spitze nicht. „Ich kenne das intellektuelle Niveau unserer Gegner“, sagte AfD-Sprecher Konrad Adam. Besorgniserregend sei dennoch, daß die Attacken auch von „ganz oben“ gekommen seien, bemerkte er mit Verweis auf Kramp-Karrenbauer und Sachsens Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, der die Partei in die Nähe der NPD gerückt hatte. „Die etablierten Parteien ahnen ganz deutlich, daß wir ein eindrucksvolles Ergebnis erzielen werden“, versuchte Adam sich die Ausfälle zu erklären.

Lucke sagte in der vergangenen Woche in Berlin, er sei von den Anfeindungen, die er während seiner Wahlkampftour erlebt habe, „sehr erschüttert“ und sprach von einer ernsthaften Beeinträchtigung des AfD-Wahlkampfes. Doch in der Parteiführung wird auch darauf verwiesen, daß die Berichterstattung über die Angriffe der Partei mehr nutze als schade. Das knappe Scheitern der AfD bei der Bundestagswahl wird auch dem geringen Bekanntheitsgrad der Partei zugeschrieben. Dieser habe sich nun deutlich gesteigert. „Hauptsache, wir werden in den Medien erwähnt“, sagte Parteivize Alexander Gauland. Trotz der Angriffe sei die Stimmung in der Partei gut.

Die steigenden Umfragewerte der vergangenen Tage dürften dazu ihren Teil beigetragen haben. Mittlerweile liegt die AfD fast durchgängig bei sechs Prozent. Anders noch als zur Bundestagswahl, als sich die Partei in den Umfragen unterbewertet fühlte, ist man in der Parteispitze vorsichtiger geworden und hält sich nun offiziell an die Umfrageinstitute. Dennoch hoffen nicht wenige auf ein deutlich besseres Ergebnis.

Am Sonntag steigt in einem Berliner Hotel an der Friedrichstraße dann die große Wahlkampfparty. Es wird gleichzeitig so etwas wie die Abschlußfeier der Gründungsphase der Partei. Am Montag, wenn die AfD-Führung zusammen mit den gewählten Europaabgeordneten vor die Hauptstadtpresse tritt, beginnt für die Partei eine neue Zeitrechnung. Sie muß dann beweisen, daß sie neben Wahlkampf auch Parlament „kann“.

Nach der Europawahl könnte auch der Richtungsstreit in der AfD neu aufflammen. Ab Juni soll endlich das noch immer ausstehende Parteiprogramm in Angriff genommen werden. Vor diesem Hintergrund ließ in der vergangenen Woche die Mitteilung der früheren Pressesprecherin Dagmar Metzger aufhorchen, sie habe einen liberalen Verein gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern der „Liberalen Vereinigung“ gehören unter anderem auch eine Reihe von AfD-Mitgliedern wie die frühere thüringische Landesvorsitzende Michaela Merz und der ehemalige AfD-Chef von Nordrhein-Westfalen, Alexander Dilger. Der Wirtschaftswissenschaftler wurde zum ersten Vorstandvorsitzenden des Vereins gewählt. „Den richtigen Ideen des Liberalismus fehlen im Augenblick nicht nur im Bundestag und nahezu in allen europäischen Parlamenten inklusive des EU-Parlaments die Fürsprecher, sondern auch in der Gesellschaft insgesamt finden diese Ideen kaum Gehör“, umriß Dilger die Intention des Vereins, dessen Sitz München ist. Hier ist nicht nur Metzgers Agentur wordstatt angesiedelt, sondern auch die auf ihre Initiative hin gegründete „Stiftung für Freiheit und Vernunft“. Der fehlgeschlagene Versuch Metzgers, auf diesem Wege eine AfD-nahe Stiftung zu etablieren, hatte im März maßgeblich zur ihrem Rücktritt als Parteisprecherin und Rückzug aus dem Patteivorstand geführt. Auch aus diesem Grund wird die Vereinsgründung von manchen Konservativen in der Partei als neuerliche Kampfansage des liberalen Flügels verstanden.

Streit könnte der AfD auch noch von einer ganz anderen Seite drohen. Das Verhältnis zwischen der Jugendorganisation Junge Alternative (JA) und teilen der AfD-Führung ist seit Wochen angespannt. Bislang ist die JA ein formal von der AfD unabhängiger und lediglich parteinaher Verein. Und ob sich daran etwas ändert, scheint derzeit ungewisser denn je. Nicht erst mit der Einladung der JA an Ukip-Chef Nigel Farage, mit der Luckes Strategie unterlaufen wurde, sich von den britischen EU-Kritikern abzugrenzen, steht der Nachwuchs unter Beobachtung. Dabei sorgt die JA mit diesen und anderen Aktionen vor allem in den sozialen Netzwerken für viel Aufmerksamkeit. Zuletzt legte sich der AfD-Nachwuchs sogar mit Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov (Linkspartei) an. Dieser hatte die Staatsawaltschaft angewiesen, gegen die JA zu ermitteln. Markov wirft dem AfD-Nachwuchs vor, auf Facebook zur Selbstjustiz aufgerufen zu haben. Die JA wiederum fühlt sich falsch verstanden und hat ihrerseits den Minister angezeigt.

„Politische Arbeit geht über Frechheit und Provokation hinaus“, sagte Lucke in der vergangenen Woche mit Blick auf die oftmals polarisierenden Aktionen der JA. Er würde stattdessen gerne einmal inhaltliche Positionspapiere vom Nachwuchs lesen. Indirekt stellte der AfD-Chef in Frage, ob die JA von der Partei als offizielle Jugendorganisation anerkannt wird. Doch auch der Nachwuchs sieht die Angliederung inzwischen skeptisch. Die muntere Truppe um ihren Vorsitzenden Philipp Ritz fürchtet um ihre politische Beinfreiheit.

Foto: Zerstörtes AfD-Plakat: „Hauptsache, wir werden in den Medien erwähnt“

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