© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/14 / 23. Mai 2014

Kampf gegen den Normalfall
Große Koalition: Die Pläne von Innenminister Thomas de Maizière zur Verschärfung des Asylrechts bringen SPD und Opposition in Rage
Christian Schreiber

In Berlin wird wieder einmal gestritten. Und wieder einmal geht es um den Umgang mit Zuwanderern. Bereits bei den Themen doppelte Staatsbürgerschaft oder sichere Drittstaaten hat es in den Reihen der Großen Koalition ordentlich gekracht. Nun hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Änderungen des Asylrechts vorgeschlagen.

Nach einem Gesetzentwurf sollen Flüchtlinge künftig leichter in Haft genommen werden können. Möglich wäre dies den Plänen nach beispielsweise, wenn jemand „unter Umgehung einer Grenzkontrolle eingereist ist, falsche Angaben über seine Identität oder seinen Reiseweg macht oder sich verborgen hat, um sich der polizeilichen Kontrolle zu entziehen“. All dies seien Anhaltspunkte für „Fluchtgefahr“. Vorgesehen ist allerdings auch, Ausländern, die bislang nur geduldet wurden, sich aber gut integriert haben, hier zur Schule gehen und einer Arbeit nachgehen, ein dauerhaftes Bleiberecht zu ermöglichen.

Die Zahl der Asylanträge ist im April noch einmal deutlich gestiegen. Rund 11.500 Personen beantragten demnach in Deutschland Asyl. Das sind 34,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. In den ersten vier Monaten des Jahres stieg die Zahl der Asylanträge somit auf rund 50.000, was einem Plus von 64,5 Prozent gegenüber 2013 entspricht. Hauptherkunftsländer in diesem Zeitraum waren Syrien, Serbien und Afghanistan, gefolgt von Mazedonien, Albanien und Bosnien-Herzegowina.

Das Thema Asylpolitik beschäftigt die Regierungskoalition aus Union und SPD schon seit ihrem Amtsantritt im vergangenen Herbst. Im Koalitionsvertrag wurde ein Passus zur Flüchtlingspolitik vereinbart, wonach eine „abgestimmte Strategie“ zur „konsequenten Rückführung nicht schutzbedürftiger Menschen“ auszuarbeiten sei. Dabei müßten auch neue Regeln gefunden werden, um Abschiebungen „durchsetzbarer“ zu machen.

„Nahezu flächendeckende Inhaftierung“

Doch die nun vorgelegten Pläne aus dem CDU-geführten Innenministerium gehen der SPD zu weit. „Das Gesetz wird so mit Sicherheit nicht verabschiedet werden“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, der Berliner Zeitung. Die Vorlage des Ministers sei zu restriktiv. Die Pläne des Innenministeriums, Asylbewerber in Abschiebehaft zu nehmen, nannte Hartmann „absurd“. Es sei der Normalfall, daß Asylbewerber nicht auf ordnungsgemäße Art und Weise einreisten. „Daß von seiten des Innenressorts ständig Sozialmißbrauch unterstellt wird, ist in dieser Form nicht in Ordnung.“ Hartmann warf der Union vor, das Asylrecht eigenhändig reformieren zu wollen. „Wir verweisen auf den Koalitionsvertrag, der eine Verschärfung der Regeln nicht vorsieht.“ Unterstützung erhielt Hartmann vom stellvertretenden SPD-Chef Ralf Stegner. Wir haben im Koalitionsvertrag nicht vereinbart, daß wir Menschen schikanieren werden“, sagte Stegner dem Tagesspiegel. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, ebenfalls SPD, monierte, der Entwurf habe gehörige Schlagseite und lese sich wie eine „Wünsch-dir-was-Liste der Unionsfraktion“.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl warnte unterdessen vor einem gigantischen Inhaftierungsprogramm. Und auch die Linke kritisierte das Vorhaben erwartungsgemäß scharf. Die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Ulla Jelpke, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Eine nahezu flächendeckende Inhaftierung Asylsuchender verletzt den Schutzgedanken des internationalen Flüchtlingsrechts. Flüchtlingen Fluchtgefahr zu unterstellen, ist schlicht absurd.“

Innenminister de Maizière versteht die Aufregung dagegen nicht: „Es handelt sich hier um eine merkwürdig schiefe Diskussion“, sagte er dem ARD-Morgenmagazin: Der Gesetzentwurf sei insgesamt ein „ausgewogenes Paket“. In den kommenden Tagen will der CDU-Politiker innerhalb der Großen Koalition Überzeugungsarbeit leisten. Fest scheint allerdings schon jetzt zu stehen, daß sich die Regierenden in Berlin beim Thema Einwanderung nicht zum letzten Mal gestritten haben.

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