© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/14 / 23. Mai 2014

Grüße aus Prag
Von wegen EU-Wahl
Mariá Pešeková

Nun ist es schon zehn Jahre her, daß die Tschechische Republik der Europäischen Union beigetreten ist. Folglich haben die Tschechen am Wochenende zum dritten Mal die Chance Europa zu gestalten, indem sie ihre 21 Repräsentanten auswählen und nach Brüssel und Straßburg entsenden. Doch kaum einen interessiert es.

In den ersten beiden Urnengängen lag die Wahlbeteiligung nur leicht über 28 Prozent, was sich in diesem Jahr bestimmt nicht viel ändern wird.

Selbst Touristen sind perplex.Denn in den Straßen, Gassen und auf den Plätzen Prags sind keine Wahlplakate zu finden. Auch in Zeitungen ist von Wahlkampfgetöse kaum etwas zu sehen.

Die große Frage ist: Überspringt die „Partei freier Bürger“ die Fünf-prozenthürde?

Stattdessen wird die Zahl der Plakate und politischen Zeitungsanzeigen durch die Werbung für die aktuelle Ausstellung von Bohuslav Reynek, eines tschechischen Graphikers und katholischen Dichters (1892–1971), deutlich übertroffen.

Aus dem Rahmen fällt die rechtsbürgerliche, europaskeptische „Partei freier Bürger“ (Strana svobodných občanů). An ihren Ständen kann man jedenfalls Bananen prüfen, ob sie der EU-Norm entsprechen oder nicht. Ihr Wahlmotto lautet „Euroquatsch ans Licht bringen“. Die große Frage stellen sich viele: Überspringen die freien Bürger die Fünfprozenthürde? Geleitet wird die Partei von Petr Mach, einem Ökonomen, der vordem enger Mitarbeiter des Präsidenten Václav Klaus war. Die Partei des 39jährigen pflegt gute Kontakte zur britischen Ukip unter Nigel Farage.

Dagegen arbeitet die Demokratische Bürgerpartei (ODS) seit langem mit der von britischen Konservativen geführten EU-Fraktion Europäische Konservative und Reformisten (ECR) zusammen

Doch die Konservativ-Liberalen haben nach Korruptionsaffären das Sieger-Gen verloren. Bei den Europawahlen 2004 und 2009 stand die ODS mit 30 respektive 31,4 Prozent an der Spitze. Wiederum neun Abgeordnete ins EU-Parlament zu entsenden, erscheint als Wunschtraum. Die eurokritische Partei kann sich glücklich schätzen, wenn sie die prognostizierten sechs bis sieben Prozent auch wirklich bekommt.

Insgesamt kandidieren in diesem Jahr 39 Parteien. Ein Rekord. Das ist alles. Dagegen erscheint der laue Wahlkampf eher als ein Akt der Verzweiflung der politischen Parteien darüber, daß sie sich wieder um die Wähler bewerben müssen. Viele Prager werden sich daher sagen: Ich stimme für Reynek.

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