© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/14 / 23. Mai 2014

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Unter den Jubelfeiern der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs ist die Rußlands am unerträglichsten. Selbst wenn man davon absieht, daß der Pakt Stalins mit Hitler den Konflikt auslöste und die sowjetische Führung Jahrzehnte systematisch auf einen „Zweiten imperialistischen Krieg“ hingearbeitet hatte, und wenn man weiter davon absieht, daß sie den Kampf von Anfang an ohne jede Rücksicht auf Kriegsbrauch und -recht führte, bleibt doch die Tatsache, daß Millionen Sowjetbürger die erste Gelegenheit nutzten, sich gegen ihre eigene Führung zu stellen und diesen Kampf offenbar nicht als ihren Kampf betrachteten, und daß dessen Ergebnis für sie und ganz Ostmitteleuropa und Osteuropa ein Desaster bedeutete, von dem sich der Kontinent bis dato nicht erholt hat.

Sobald ich an die Macht komme: Verbot des Sich-dumm-Stellens.

Zu den Rätseln dieses Europawahlkampfs gehört der Entschluß der SPD-Führung, das AfD-Design für ihre Plakate abzukupfern.

Plutokratie hat ein Gesicht: Mehr als die Hälfte der Abgeordneten des US-Kongresses gehört zur Kategorie der Dollarmillionäre.

Zu den Nebeneffekten des Gedenkmarathons „1914–2014“ gehören die Voten derer, die den Wilhelminismus als „gute alte Zeit“ wiederentdecken; Rolf Hochhuth ist nur der Prominenteste. Das überrascht und erfreut, wenngleich es sich bloß um Nostalgie handelt, oder um die Angleichung an die Situation jener Nachbarländer, in denen es auch eine gewisse Menge äußerst kultivierter Konservativer gibt, die jede Handlungsaufforderung zurückweisen, mit der Begründung, seit der Französischen Revolution, seit dem Sturz des Zaren, seit dem Abgang Salazars sei alles vergeblich.

Interessant, daß die Versuche der bürgerlichen Konkurrenz, die AfD mit der Nazi-Keule zu bearbeiten, nach so kurzer Zeit aufgegeben wurden. Man scheint sich mit dem Unabänderlichen eingerichtet zu haben oder beschränkt sich auf Häme, die nicht nur den „Herrn Professor“ zum Thema macht, sondern allen Ernstes dessen Körpergröße.

Nachdem festgestellt wurde, daß die Bundesrepublik durch das Anrecht ausländischer Arbeitskräfte auf deutsches Kindergeld, auch dann, wenn es sich um Saisonkräfte und um Kinder handelt, die in der Heimat verblieben sind, Mehrkosten in Milliardenhöhe entstehen, beeilt sich die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner, darauf hinzuweisen, daß das nur billig sei, weil „Deutschland als EU-Mitglied nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten hat“, und jetzt eben die, das Europäische Sozialrecht umzusetzen. Dazu zwei Fragen: In welchem anderen Land wäre das denkbar? Ist „vaterlandslose Gesellin“ als Beschimpfung zu umständlich?

Bildungsbericht in loser Folge LVI: Frau Wanka empfiehlt als Bundesbildungsministerin Abiturienten eine Lehre statt des Studiums. Die Aufforderung hat ihren Grund in der nach wie vor skandalös hohen Zahl der Studienabbrecher. Daß es sich um einen politischen Offenbarungseid handelt, wird selbstverständlich verschwiegen: Zuerst hat man die Gymnasien mit einer Menge an Adoleszenten gefüllt, die gymnasial nicht beschulbar sind, dann hat man die Anforderungen gesenkt, um sie dort zu halten, dann die guten Noten inflationiert, um sie nicht zu frustrieren, dann hat man ihnen eingeredet, daß sie studierfähig seien, dann die Universitäten gezwungen, sie alle aufzunehmen, dann daselbst wiederholt, was schon an den Schulen durchexerziert worden war, um nun zu dem Ergebnis zu kommen, daß das alles zu nichts führt. Schweigen wir von der gigantischen Verschwendung an Steuergeldern und sinnlos vergeudeter Arbeitskraft, schweigen wir von den ökonomischen Folgen, fragen wir uns bloß, was das alles für die Pädagogik bedeutet, welche Konsequenzen die frühe und andauernde Begegnung der heranwachsenden Generation mit der strukturellen Lüge hat, das heißt mit der fehlenden Beurteilung ihrer Fähigkeiten und ihres geistigen Vermögens.

In der französischen Nationalversammlung hat es eine erregte Debatte gegeben, nachdem eine Abgeordnete der bürgerlichen UMP vom Erziehungsminsterium Auskunft verlangte, was es damit auf sich habe, daß die Schüler und männlichen Angestellten der Schulen in Nantes aufgefordert wurden, am 16. Mai – dem Aktionstag gegen „Sexismus“ – in Rock und/oder mit gerougten Wangen zu erscheinen, um für die Egalität zu demonstrieren. Selbstverständlich, wurde der streitbaren Dame erklärt, habe es sich nur um einen unverbindlichen Vorschlag gehandelt. Selbstverständlich.

Noch eins an die Adresse der Putin-Flüsterer: Die Parteijugend des russischen Präsidenten verziert ihre Autos gern mit dem Schriftzug „Nach Berlin!“, den Schukow auf den Panzern der Sowjetarmee anbringen ließ.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 6. Juni in der JF-Ausgabe 24/14.

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