© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/14 / 30. Mai 2014

Der Ton wird schärfer
Streit ums Abschreiben: Der „Focus“ legt sich zugunsten seines Onlineauftritts mit der „Bild“ an
Henning Hoffgaard

Kai Diekmann hat genug. Der Chefredakteur der Bild-Zeitung prahlt seit Wochen mit dem angeblichen Erfolg des Bezahlkonzepts „Bild Plus“. Bestimmte Artikel des Blattes und Exklusiv-Geschichten sind nur noch gegen Aufpreis zu erhalten. Mehr als 150.000 zahlende Kunden will die Bild Ende des vergangenen Jahres gehabt haben. Einer davon treibt Diekmann offenbar die Zornesröte ins Gesicht: der Focus.

Die Online-Ausgabe des Magazins hat es sich zur Gewohnheit gemacht, die Exklusiv-Geschichten der Bild umgeschrieben als eigene Meldungen auf die Startseite zu setzen. Die entsprechenden Beiträge werden sogar als Eilmeldungen an Handy-Nutzer versand. Die geschickte Aushebelung des Bild-Bezahlmodells dürfte im Axel-Springer-Haus für Unruhe sorgen. „Tolle Focus-Story, Daniel – bißchen peinlich, oder?“ schrieb Diekmann an Focus-Online-Chef Daniel Steil. Hintergrund: Wieder hatte der Focus eine Bild-Exklusiv-Geschichte übernommen. Der Angesprochene erwiederte promt: „Ihr habt sie doch selbst mit Sperrfrist rausgegeben – was ist daran jetzt peinlich?“

Gegenüber dem Online-Portal Meedia rechtfertigte Steil dann ausführlicher: „Die Kollegen von Bild haben eine tolle Geschichte, und sie geben sie an die Agenturen. Ziel der Bild ist es dabei, daß diese Geschichte weiterverbreitet wird. Wir und viele andere Medien tun dies.“ Rechtlich ist der Focus auf der sicheren Seite. Die Ursprungsquelle wird angegeben und die Inhalte nicht kopiert.

Der Streit paßt zur Neuausrichtung des Internetauftritts des Focus. Mehr Boulevard, Live-Ticker zu allen möglichen Themen und arg zuspitzende Überschriften, deren Versprechen die dazugehörigen Text nicht immer halten. Bei diesem Vorgehen mußte es früher oder später zum Konflikt mit der Bild kommen. Bisher ging die Strategie des Focus auf. Mit mehr als zehn Millionen Besuchern zog das Blatt im Februar erstmals an Spiegel Online vorbei auf den zweiten Platz. Spitzenreiter ist Bild Online mit 15,26 Millionen Besuchern.

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