© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/14 / 06. Juni 2014

Daniel Bangert hat genug von der NSA – und späht die US-Spione einfach selbst aus
Der Unbeugsame
Bernd Rademacher

Das war’s: Generalbundesanwalt Harald Range wird wegen der massenhaften Ausspähung deutscher Bürger kein Ermittlungsverfahren gegen den US-Geheimdienst NSA einleiten. Deutschland wehrt sich nicht. Ganz Deutschland? Nein, ein 29jähriger Hesse hört nicht auf, Widerstand zu leisten: Daniel Bangert beweist, daß es möglich ist, Herr im eigenen Land zu bleiben, wenn wir nur wollten. Seine Strategie ist improvisiert – zugegeben. Sie lautet einfach: „Laßt uns ihnen auf die Nerven gehen!“ Und das tut der junge Griesheimer gewaltig!

Angefangen hat er damit schon im vergangenen Jahr, als er zunächst scherzhaft auf Facebook zu einem naturkundlichen Spaziergang aufrief, um „Spione in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten“. Treffpunkt war der „Dagger-Complex“ bei Darmstadt. Diese massiv gesicherte Festung am Rande des Odenwaldes wird vom US-Militär betrieben und angeblich auch von der NSA genutzt. Der Standort soll – neben Wiesbaden und Stuttgart – einer von drei der amerikanischen Ausgabe von Horch und Guck in Deutschland sein. Die Safari rund um den Stacheldrahtzaun des Spionagenestes war als humorige Replik auf die NSA-Überwachung der Deutschen gedacht. Motto: Sie beobachten uns – jetzt beobachten wir mal sie.

Die Facebook-Einladung fand interessierte Leser – auch beim US-Militär! Dieses informierte die Polizei, und schon stand ein Streifenwagen vor Bangerts Haustür. Den Staatsschutz hatten die Beamten gleich mitgebracht. Die Sicherheitskräfte überredeten Bangert, seine Aktion wenigstens ordnungsgemäß als Demonstration anzumelden.

Knapp hundert vor allem junge Leute folgten dem Aufruf. Bangerts Aktivisten richteten Papp-Kameras auf das Gebäude, streuten Blumen – angeblich um den natürlichen Lebensraum der Spione zu verschönern – und grillten fröhlich auf der Straße, um die scheuen US-Agenten durch deutschen Bratwurstduft „aus dem Bau zu locken“. Die Amis reagierten irritiert.

Seitdem spielt sich vor dem Tor des Dagger-Areals jede Woche dasselbe Ritual ab. Immer samstags zieht der unbeugsame Artenschützer los, um nach der Spion-Spezies zu sehen. Mal folgen ihm mehr, mal weniger besorgte Naturfreunde, um zu picknicken, zu musizieren oder in einem Lampion-Umzug um das Revier der US-Spitzel zu spazieren. Sogar mit einer handelsüblichen Propeller-Drohne haben sie den Dagger-Komplex schon von oben ins Visier genommen.

Anfängliche Versuche, die Nervensägen zu verscheuchen, haben die Amerikaner längst aufgegeben. Bangert betont inzwischen das ernsthafte Anliegen seiner Aktionen. Seine Mutter habe ihn gewarnt, er sei nun bekannt wie ein bunter Hund, kein Chef würde ihn mehr einstellen. Doch seine Schwester habe die Mutter beruhigt: Wenn ihn keiner mehr einstellt, könne er immer noch Politiker werden.

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