© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/14 / 06. Juni 2014

Die Herrschaft der Fürsten wankt
Junge Union: Benedict Pöttering fordert JU-Chef Mißfelder und die Landesvorsitzenden heraus
Hinrich Rohbohm

Um die Nachfolge des im September aus dem Amt scheidenden Vorsitzenden der Jungen Union (JU), Philipp Mißfelder, ist ein Machtkampf ausgebrochen. Lange Zeit galt der Osnabrücker Benedict Pöttering als Kronprinz für das Amt (JF 48/13). Ende vorigen Jahres ließ sich jedoch der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Paul Ziemiak von ersten Landesverbänden für den Posten nominieren.

Ein halbes Jahr lang schmiedete er hinter den Kulissen an einer Allianz für seine Wahl. Ein Vorgang, der nicht wenigen Jungunionisten sauer aufgestoßen war. „Es gehört bei uns zum guten Ton, daß über Personalentscheidungen nach Wahlen gesprochen wird“, meint ein JU-Mitglied. Schließlich habe der Nachwuchs durch eine vorzeitige Debatte um die Mißfelder-Nachfolge keine Nebenkriegsschauplätze während des Wahlkampfs eröffnen wollen.

Mit einem offenen Brief an die Mitglieder ist Benedict Pöttering nun in die Offensive gegangen. Darin kritisiert er die Vorgehensweise, spricht von Hinterzimmerpolitik und davon, daß eine Neuausrichtung der Jungen Union nicht durch Entscheidungen von wenigen gelingen könne. Genau das aber scheinen die bisherigen Nominierungen für Ziemiak zu sein. Mit Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein, Hessen und Baden-Württemberg haben sich bereits sechs Landesverbände hinter die Kandidatur des 28jährigen gestellt. Hinzu kommt sein eigener Verband Nordrhein-Westfalen, der mit Abstand die meisten Delegierten stellt. Doch die Sache hat für den Studenten, der nebenbei als Kommunikationsreferent für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers arbeitet, einen Haken. Ziemiak erhielt nicht von einer breiten Basis seinen Segen. Vielmehr handelt es sich um Nominierungen, die auf Landesausschüssen, Landesvorstandssitzungen, manchmal nur auf Meinungsbekundungen eines Vorsitzenden beruhen.

Hinzu kommt, daß sich zum Zeitpunkt der Nominierung Benedict Pöttering zumindest offiziell noch nicht zu einer Kandidatur geäußert hatte. „Wenn ich gewußt hätte, daß Benedict kandidiert, hätte ich mich anders entschieden“, heißt es nun aus diversen Landesverbänden. In Hamburg, Hessen und Schleswig-Holstein bröckelt daher die Zustimmung für Ziemiak bereits wieder. Und in Baden-Württemberg steht der dortige Landesvorsitzende gerade heftig in der Kritik, was ebenfalls auf kein einheitliches Abstimmungsverhalten schließen läßt.

Die „Lex NRW“ zieht nicht mehr

Zudem halten die größeren Landesverbände Bayern, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen weitestgehend zu Pöttering, der mit seinem offenen Brief einen Nerv getroffen hat. Denn die Zeiten, in denen Posten ausgekungelt wurden, neigen sich in der JU dem Ende zu. Immer weniger Delegierte sind bereit, sich auf Deutschlandtagen, den „Parteitagen“ der Nachwuchsorganisation, zu reinem Stimmvieh ihrer Verbandsfürsten instrumentalisieren zu lassen. Das war vor Jahren noch anders. In der JU galt lange eine „Lex NRW“: Gegen den Segen des mitgliederstärksten Verbandes war die Wahl eines neuen Vorsitzenden nicht möglich. So wurde 2002 auch Philipp Mißfelder Vorsitzender. In schwäbischen Bad Wörishofen hatten seinerzeit die führenden Verbände Bayern und Nordrhein-Westfalen die Machtverhältnisse im künftigen Bundesvorstand ausgehandelt.

Diesmal ist allerdings alles anders. Eine Kampfabstimmung steht bevor. Dabei geht es auch um die künftige inhaltliche Ausrichtung. Mißfelder hatte der Jungen Union ein moderneres und zugleich konservativeres Image gegeben. Sehr zum Mißfallen der Kanzlerin, die mit den Jungunionisten nie richtig warm wurde. Weshalb einige JU-Mitglieder nun bereits befürchten, daß Merkel eingreift. „Ist doch klar, daß sie jetzt versucht, eine unbequeme, kritische Kraft zu neutralisieren“, sagte ein Mitglied eines Landesvorstandes der JUNGEN FREIHEIT. „Ich weiß nicht, ob sie das wirklich will, aber wenn, dann stellt sie es so an, daß ihr Name damit nicht in Zusammenhang gebracht wird“, ist ein hessischer JU-Funktionär überzeugt. Und fügt an: „Daß Hessen geschlossen für Ziemiak stimmt, sehe ich noch nicht.“

Paul Ziemiak wurde 1985 in Stettin geboren, wuchs später im westfälischen Iserlohn auf, wo er derzeit als Parteivorsitzender fungiert. NRW-Landeschef Armin Laschet gilt als sein politischer Ziehvater. Ähnlich wie einst die Pizza-Connection sympathisiere Ziemiak mit schwarz-grünen Bündnissen, meinen Insider. Erst vor kurzem twitterte er von seinem Besuch bei Greenpeace. Weil er 2012 gerade erst Landesvorsitzender geworden war, hatten viele Jungunionisten zunächst nicht mit seiner Kandidatur gerechnet.

Benedict Pöttering dagegen steht als JU-Bundesvize schon länger im Fokus als möglicher Mißfelder-Nachfolger. Der Bank- und Sparkassenkaufmann aus Osnabrück verkörpert einen kritisch-konstruktiven Kurs zur Mutterpartei. Er hatte die Verabschiedung des Rentenpakets kritisiert, weil sie auf Kosten der jungen Generation erfolge. Auch im Umgang mit der AfD vertritt er eine andere Auffassung als die CDU-Führung. Deren Strategie des Ignorierens sei gescheitert.

Benedict Pöttering ist der Sohn des langjährigen Europaabgeordneten und Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering. Als JU-Vize beerbte er seinen älteren Bruder Johannes. Umstände, die ihm manchmal den Vorwurf der Familiendynastie einbringen. Angeblich soll Mißfelder seinen Vize favorisieren. Auch das ist kein Vorteil. Die Reise des noch amtierenden JU-Chefs zur Geburtstagsparty von Altkanzler Gerhard Schröder nach St. Petersburg haben ihm viele übelgenommen. Auch seine Zustimmung zum Rentenpaket kam beim Polit-Nachwuchs gar nicht gut an. „Das wird der spannendste Deutschlandtag seit Jahrzehnten, das Rennen ist völlig offen“, prophezeit denn auch ein JU-Mann aus Nordrhein-Westfalen, der verrät: „Meinen Landesvorsitzenden werde ich nicht wählen.“

Foto: JU-Chef Mißfelder (r.), mögliche Nachfolger Ziemiak (o.) und Pöttering: Greift Merkel ein?

 

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