© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/14 / 06. Juni 2014

Umwelt
Tonnenweise Betrug
Heiko Urbanzyk

Müssen wir uns an solche Meldungen aus der Biobranche gewöhnen? Die Staatsanwaltschaft im italienischen Pesaro ist seit 2012 einem mafiösen Lebensmittelnetzwerk auf der Spur, dessen Hauptverantwortliche bald vor Gericht stehen. 100 Polizisten, Steuerfahnder sowie eine Sondereinheit des italienischen Landwirtschaftsministeriums arbeiteten an der Überführung der Täter. Zwischen 2007 und 2014 sollen sie über 300.000 Tonnen vermeintliche Bio-Lebensmittel verkauft haben: Dinkel, Gerste, Roggen, Leinsamen usw., die entweder gar nicht bio oder mit konventionellem Getreide gestreckt waren.

Beamte wurden geschmiert, Komplizen in Öko-Kontrollstellen eingeschleust.

Im Hafen von Ravenna nahmen die Ermittlungen 2012 ihren Anfang. Dort beschlagnahmten die Behörden derart verunreinigte Gensoja, daß diese nicht einmal als konventionelles Lebensmittel hätte verkauft werden dürfen. Herkunft: Osteuropa. Ziel: Deutschland, Frankreich, Großbritannien.

Was läuft schief? Der Westen hat zu viele Verbraucher, die gern tiefer in die Tasche greifen, wenn sie dafür möglichst schadstoff- und gentechnikfreie Lebensmittel bekommen. Die Nachfrage vervierfachte sich innerhalb von zehn Jahren, während sich die ökologisch bewirtschafteten Agrarflächen in der EU nur auf rund fünf Prozent verdoppelten. In Deutschland sind es sechs Prozent. Importen aus Nicht-EU-Ländern ist noch weniger zu trauen als heimischen Produkten: Beamte werden geschmiert, in Öko-Kontrollstellen Komplizen eingeschleust, wie die italienischen Ermittlungen zutage förderten.

Eine Bundesregierung schrieb sich vor 13 Jahren 20 Prozent Ökolandbau auf die Fahnen. Das wäre der beste Schutz vor Mafia­betrügern. Aber Regierungsversprechen dürfte noch weniger zu trauen sein als italienischen Bio-Großhändlern.

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