© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/14 / 13. Juni 2014

70 Jahre Invasion in der Normandie
Von allem befreit
Thorsten Hinz

Den alliierten Veteranen sei ihr „D-Day“-Treffen und das ehrende Gedenken ihrer Gefallenen am Strand der Normandie gegönnt. Doch sie bildeten bloß die Staffage, um einen politischen Mythos zu zelebrieren. Er besagt, daß Weiße Götter aus Übersee vor 70 Jahren den Wellen entstiegen, um Europa aus den Klauen von Dämonen zu befreien. „Dieser Anspruch steht auf diesem Strand in Blut geschrieben“, sagte US-Präsident Obama und nannte die Strände die „Brückenköpfe der Demokratie“. Das martialische Bild ist kein Zufall. Es drückt unüberhörbar einen Imperativ aus, der sich an alle Europäer richtet, auch an jene, die sich als Mitsieger auf das Gruppenfoto drängelten.

Die Geschichte geht im Mythos nicht auf. Es wäre zu prüfen, inwieweit die Politik Präsident Franklin D. Roosevelts zur Eskalation der europäischen Tragödie und letztlich auch zu den Furchtbarkeiten beigetragen hat, deren Beendigung sich die USA heute auf die Fahnen schreiben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die deutsche Niederlage ohne Einschränkung eine „Befreiung“. Auch das hat einen aktuellen Sinn. Ein Volk, das über die Niederlage seiner Vorfahren ohne Wenn und Aber glücklich und dankbar ist, wird gegebenenfalls sogar noch den Raub seines Vermögens durch einen Goldman-Sachs-Vertreter wie Mario Draghi als ehrenvolle Fügung begreifen.

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