© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/14 / 13. Juni 2014

Grüße aus Rom
Vergessener Europavater
Paola Bernardi

Der römische Taxifahrer fragt: „Wer?“ Als ich den Namen Alcide De Gasperi (1881–1954) nenne, antwortet er „nie gehört“ und hält vor der Basilika San Lorenzo fuori le mura. Einer der Gründerväter der Europäischen Union liegt in der Kirche begraben.

Es waren die Christdemokraten Konrad Adenauer, De Gasperi und Robert Schuman, die auf der Grundlage von christlichen Werten das europäische Haus errichteten. Ihr großer Traum war, nach tausend Jahren Krieg endlich Frieden auf dem Kontinent herzustellen. 1952 trafen sie diese mutige und visionäre Entscheidung.

Ein verdorrter Lorbeerkranz liegt vor De Gasperis Grab. Das Ewige Licht brennt nicht mehr.

Doch ihre Enkel schachern längst nur noch um Posten und Macht in Brüssel, während sie mehr und mehr der Vergessenheit anheimfallen. Dabei gilt De Gasperi als zentrale Schlüsselfigur des Wiederaufbaus Italiens, als er 1948 den großen Wahlsieg gegen die sogenannte Volksfront (KPI und Sozialisten) gewann und fortan die Christdemokraten (DC) jahrzehntelang das Land regierten.

San Lorenzo ist ein beliebtes Szene-Viertel im Dreieck zwischen Universität, Bahnhof und dem Friedhof Verano. Ein quirliger Stadtteil mit Graffiti-beschmierten Hauswänden, vielen Pubs und Lokalen, in denen der Leichenschmaus stattfindet. Hier treffen Langzeitstudenten, Punks und biedere Hausfrauen mit Kinderwagen aufeinander.

Ich entdecke sogar eine Gedenktafel für Arafat. Auch Hammer-und-Sichel-Embleme verschiedener Clubs zeigen, daß hier die Kommunisten noch überlebt haben, die De Gasperi zeit seines Lebens bekämpfte.

Als er am 19. August 1954 in seinem Trentiner Domizil Sella bei Borgo di Valsugana starb, wollte er auch dort begraben werden. Doch dann bat die italienische Regierung, die von der DC geführt wurde, darum, den verdienten Staatsmann nach Rom zu überführen. Nachdem Papst Pius XII. eingewilligt hatte, wurde der Leichnam in die Krypta der Basilika San Lorenzo gebracht.

Ausgerechnet der kommunistische Bildhauer Giacomo Manzù schuf den Sarkophag, der im Vorraum der Kirche steht. Ein mächtiger von Zweigen umrankter Würfel erinnert seitdem an einen der Väter Europas. Ein verdorrter Lorbeerkranz vom Circolo Alcide De Gaspari aus Calavino/Trento liegt davor. Wer weiß, wie lange schon. Das Ewige Licht brennt auch nicht mehr. Symbolhaft für das derzeit krisengeschüttelte Europa.

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