© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Hartan der Grenze
Innere Sicherheit: Diskussion über Kriminalstatistik hält an
Paul Leonhard

Lob kann mitunter gefährlich sein. Es kann der Wahrheit zum Durchbruch verhelfen. Die Präsentation der Kriminalstatistik 2013 durch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger als Vorsitzenden der Innenministerkonferenz müsse lobend hervorgehoben werden, heißt es vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Diese „sachlich und richtig bewertende Darstellung“ unterscheide sich „angenehm von den sonst üblichen Selbstdarstellungen mancher Landesinnenminister, bei der die Zahlen oftmals sehr verzerrt und tendenziös vorgetragen werden, um im Ergebnis dann selbst gut dazustehen und auch eine Begründung für weitere Personaleinsparungen zu haben.“

Auch wenn laut der Anfang des Monats vorgestellten Statistik Jugendkriminalität und Gewaltdelikte im Gegensatz zu den stark angestiegenen Fallzahlen bei Wohnungseinbrüchen, Cyberkriminalität und Kinderpornografie rückläufig sind, so sagte das noch nichts über den zeitlichen und ermittlungstaktischen Aufwand aus, mahnen die Kriminalpolizisten. Und auch nichts darüber, wie viele Verfahren durch die Staatsanwaltschaften eingestellt wurden und in wie vielen es eine Verurteilung gegeben habe.

Seit langem fordern die Kriminalbeamten vergeblich einen Sicherheitsbericht mit Fallzahlen, die sich an der Zahl der Geschädigten orientieren und auch die Auslandsdelikte erfassen. Auch fehle eine fundierte und kontinuierliche Beurteilung der Sicherheitslage durch ein interdisziplinäres und politisch unabhängiges Expertengremium. Für überfällig hält der BDK außerdem, daß die Statistiken von Polizei und Justiz kompatibel gemacht werden.

Parallel dazu gibt es heftige Kritik von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Die explosionsartig zunehmenden Diebstähle und Einbrüche in den deutschen Grenzregionen und darüber hinaus in ganz Deutschland entwickeln sich immer mehr zum Alptraum für die Bürger“, konstatiert der für die Bundespolizei zuständige GdP-Vorsitzender Jörg Radek. Es geht nicht nur um gestohlenes Eigentum und verwüstete Wohnungen, Werkstätten, Lager und Garagen, sondern um massive Störungen der Lebensqualität der Menschen. Radek nimmt dabei auch indirekten Bezug auf das jüngste Abkommen zwischen Bundes- und sächsischer Landespolizei sowie auf den beschlossenen, aber noch nicht ratifizierten deutsch-polnischen Polizeivertrag. Der Kriminalität könne man „nicht mit dem x-ten Polizeiabkommen Herr werden, sondern nur mit massiver Grenzfahndung“. Diese sei gesetzlicher Auftrag der Bundespolizei, dem diese aber mangels Personals nicht in der gebotenen Weise nachkommen könne.

Allein aus Angermünde und Frankfurt/Oder an der Grenze Brandenburgs zu Polen sind nach Angaben Radeks 80 Bundespolizisten zu den Flughäfen nach Berlin entsandt worden, um dort Personallücken zu stopfen. Weitere 20 Stellen für Streifenbeamte in der Grenzregion sind von vornherein nicht besetzt.

Gewerkschaft warnt vor Dummsparen

An der sächsischen Grenze sind sogar 115 Stellen unterbesetzt, weitere 25 Beamte wurden zur Unterstützung anderer Dienststellen abgezogen. De Maizière sowie alle Innen- und Haushaltspolitiker im Bundestag würden wissen, daß die Grenzdienststellen unterbesetzt sind, aber es werde nicht gegengesteuert, sagt Radek. Die Politik würde nicht nur die überlasteten Polizisten allein lassen, sondern vor allem die Bürger, „die einen Anspruch darauf haben, daß die Bundespolizei nach ihrem gestohlenen Eigentum intensiv fahndet, bevor es in Osteuropa verschwindet“.

Die intensive Grenzfahndung nach Diebesgut durch die Bundespolizei sei auch nach den geschlossenen Schengen-Vertägen nicht untersagt, im Gegenteil, erinnerte der Gewerkschafter. Der Bund dürfe nicht einfach auf die Zuständigkeit der Länder verweisen, denn die Grenzfahndung sei „originäre Aufgabe der Bundespolizei“. Und diese reduziere sich nicht auf die Unterbindung illegaler Einreisen nach Deutschland.

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft sieht den Zustand der Bundespolizei kritisch. „Wir fordern massive Nachbesserung im Haushalt der Bundespolizei. Es kann nicht sein, daß immer mehr Aufgaben auf immer weniger Schultern verteilt werden und das Ganze auf dem Rücken unserer Kolleginnen und Kollegen ausgetragen wird“, hatte der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Ernst G. Walter, schon im April angemahnt und vor ernsten Konsequenzen gewarnt. „Inzwischen fehlen mehr als 1.000 Planstellen bei der Bundespolizei, und die Einsatzfähigkeit der Organisation ist dadurch bereits jetzt erheblich gefährdet.“ Der selbstauferlegte Zwang zur Vorlage eines ausgeglichenen Haushalts dürfe nicht zu Lasten der inneren Sicherheit gehen, appellierte Walter an die Große Koalition: „So etwas nennt man Dummsparen, denn der Abbau von Bundespolizisten in den Grenzregionen führt zwangsläufig zu einem Anstieg der illegalen Migration mit bekannt hohen Folgekosten für Bund, Länder und Kommunen“, schrieb er den Innenpolitikern ins Stammbuch.

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