© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Pankraz,
Robert de Niro und das Spaghettimonster

An sich möchte man seinen Spaß haben, aber manchmal wird es eben ernst. Seitdem die „Neos“ (Partei Neues Österreich und Liberales Forum) bei den EU-Wahlen zum Straßburger Parlament 8,5 Prozent der Stimmen erhalten haben und dort nun als Fraktionspartner begehrt sind, möchten sie ihren „Religionssprecher“ Niko Alm loswerden. Ihr Parteivorsitzender Matthias Strolz sagte der Wiener Zeitung, die Berufung Alms sei ein Fehler gewesen. Der Mann sei zwar „großartig“, aber seine Partei wolle sich auf „Nebenschauplätzen“ wie Religion künftig nicht länger exponieren.

Niko Alm ist gutgelaunter Propagandist des „Pastafarianismus“, einer 2005 in den USA von Bobby Henderson gegründeten „Satire-Religion“, deren Mitglieder das „fliegende Spaghettimonster“ anbeten. Das fliegende Spaghettimonster wird vorgestellt als riesige Schlange aus Nudelteig mit Augen in Form von Königsberger Klopsen, welche das Weltall durchrast und auf allen möglichen Planeten geistige Ebenbilder von sich selbst absetzt. Diese Ebenbilder haben keine andere Aufgabe, als ihre Umgebung aufzufressen und dabei gemütlich zu rülpsen. Gott ist ein Fresser, und Henderson ist sein Prophet!

Wohlgemerkt, der Pastafarianismus meint es nicht ernst, seine Propheten Bobby und Niko fühlen sich keineswegs als Verkünder eines neuen Glaubens, der „die Wahrheit“ enthalte und zum selbstlosen Einsatz für diese Wahrheit auffordere. Sie ist reine Satire, ja noch weniger als Satire, nämlich pures Spaßvergnügen, das mit Glaubenssätzen, welcher Art auch immer, nur noch Fußball spielt, und zwar ohne Schiedsrichter. Das unterscheidet sie schneidend etwa von britischen Atheisten wie Dawkins oder Botton, die die Gotteslosigkeit predigen und dafür vom Staat Steuerfreiheit und Hilfe beim Tempelbau fordern.

In Erinnerung ist noch das Buch von Alain de Botton von 2012, „Religion for Atheists“, in dem er sich darüber aufregt, daß die zahllosen Atheisten, die die Insel bevölkern, keine Tempel oder Kirchen bauen. Das könne nicht gutgehen. Denn auch der Atheismus sei ein Glaube, eine Religion also, und Religionen bräuchten nun einmal Tempel, Kirchen, Synagogen oder Moscheen, um dort ihren (Un-)Gottesdienst zu verrichten. Ohne Atheistentempel kein Atheismus, und ohne Atheismus keine moderne, friedliche Gesellschaft.

John Gray vom Londoner Guardian sprang damals Botton bei. Glaube, schrieb er, könne nicht einfach durch (solides oder nur eingebildetes) Wissen ersetzt werden, er sei ein menschliches Grundbedürfnis und münde notwendig in Religion ein, also in ritualisierte Formen der Verehrung übermenschlicher Kräfte an extra dafür markierten Orten. Schon der „Gründer des Positivismus und der strikt naturwissenschaftlich orientierten Soziologie“ im 19. Jahrhundert, Auguste Comte, habe das erkannt und zur Errichtung von „Tempeln der Humanität“ aufgerufen.

Für die Anbeter des fliegenden Spaghettimonsters ist das alles Hekuba. Ihnen geht es um nichts weniger als um Tempelbau, sie halten es lieber mit dem „aufgeklärten“ Spießer, der uns bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit selbstgefällig versichert, daß er an nichts glaube und damit bestens zurechtkomme. Er, der gebildete, wissenschaftlich sich ständig auf dem laufenden haltende Herr XYZ, könne auf Tempel ohne weiteres verzichten, auch auf die dort stattfindenen Gesänge, Pedigten und sonstigen Rituale. Das sei doch alles Firlefanz. Dann doch lieber fliegendes Spaghettimonster.

Daß auch eine politische Formation wie die österreichischen Neos dem Spaghettimonster huldigt und sogar seinen führenden Propheten feierlich zu ihrem „Religionssprecher“ ernennt, ist zweifellos ein Zeichen für den eklatanten Niedergang der sich „liberal“ nennenden Parteien in Mitteleuropa, daran ändern auch der Einzug in den Nationalrat und die 8,5 Prozent bei den Europawahlen nichts. Pankraz wagt die Voraussage, daß es den Neos nicht anders ergehen wird als der FDP in Deutschland. Blamiert sind sie schon jetzt, da sie ihren geliebten Niko Alm so eilfertig den politischen Tagesbedürfnissen geopfert haben.

Feige sind sie also auch noch. Aber was soll’s? Politikbeobachter zeigen sich ohnehin überzeugt davon, daß diese Leute – genau wie das „Team Stronach“ seligen Angedenkens – von den derzeit herrschenden Kräften einzig deshalb ins politische Leben gepustet wurden, damit sie der traditionellen nationalliberalen Partei Österreichs, der FPÖ, Stimmen abnehmen – ein vergebliches Unterfangen, wie sich immer deutlicher herausstellt. Originale sind immer besser als Nachahmungen, besonders dann, wenn die Nachahmer gar nicht wissen, worum es eigentlich geht.

„Ich bestelle Spaghetti mit Marinarasauce und bekomme Eiernudeln mit Ketchup!“ So tobte einst Robert de Niro als Gangsterboß in Scorseses legendärem Mafiafilm „Good Fellas“, als er sich in einem Luxusrestaurant schlecht bedient fühlte. Ähnlich werden zur Zeit wohl auch gewisse politische Strippenzieher in Wien toben. Sie glaubten, sich mit einem echten, dauerhaft flugfähigen Spaghettimonster verbündet zu haben, und müssen nun Schritt für Schritt realisieren, daß sie sich mit einem müden Kaninchen aus Nudelteig haben abspeisen lassen, das nicht einmal richtig hoppeln, geschweige denn fliegen kann.

Mit „Satire-Religionen“, da haben die hochgelehrten atheistischen Tempelbauer in England, die Dawkins und Bottons, nur allzu recht, kann man nichts anfangen. Sie taugen bestenfalls, wenn auch nur eine knappe Zeit lang, als Spaßobjekte für irgendwelche „Comedians“, die damit ein drittklassiges Publikum unterhalten müssen. Mit menschlichen Grundbedürfnissen haben sie nichts zu tun, und in der Politik entpuppen sie sich regelmäßig als Rohrkrepierer und schlimme Eigentore.

„Der Glaube ist nicht der Anfang, sondern das Ende allen Wissens“, notiert Goethe in seinen „Maximen und Reflexionen“. Über Anfang und Ende aber läßt niemand mit sich spaßen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen