© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Das falsche Geschlecht
Diskriminierung: An der Berliner Humboldt-Universität wird ein Top-Mathematiker nicht berufen, weil er ein Mann ist
Robert Backhaus

Skandal an der Berliner Humboldt-Universität. Dort sollte ein Lehrstuhl für Mathematik neu besetzt werden, und der in Fachkreisen sehr anerkannte Professor Matthias Brenner (37) aus Kaifornien bewarb sich. Die Vertragsverhandlungen verliefen erfolgversprechend – aber plötzlich winkte das Rektorat ab. Der vakante Lehrstuhl, so hieß es, sei für eine weibliche Aspirantin vorgesehen; da könne man nichts machen.

Michael Hartmer vom Deutschen Hochschulverband hält den Abbruch des Berufungsverfahrens für „empörend“. Die Humboldt-Universität suche dringend mathematische Spitzenforscher; außerdem gebe es in der deutschen Hochschulpolitik eine verbriefte „Rückkehrförderung für ausgewanderte deutsche Spitzenforscher“, die genau hier hätte wirksam werden müssen. Von einer Frauenquote für Mathematikprofessoren indessen habe hierzulande noch nie jemand gehört.

Wissenschaftshistoriker erinnert der Fall an die „Causa Kowalewskaja“, die Ende des 19. Jahrhunderts den schwedischen Lehrbetrieb erschütterte. Auch an der Universität Stockholm wurde damals ein erstklassiger Mathematikprofessor gesucht, mehrere männliche Bewerber aber wurden abgelehnt, weil eine charmante Russin, die als „mathematisches weibliches Wunderkind“ gefeierte Sofja Kowalewskaja, dem zuständigen Rektorat den Kopf verdreht hatte.

Kein Geringerer als August Strindberg griff damals korrigierend ein. Die Berufung einer Frau in einem Land, in dem es so viele ihr weit überlegene männliche Mathematiker gebe, könne man nur „mit der Galanterie der Schweden dem weiblichen Geschlecht gegenüber erklären“, schrieb der weltberühmte Autor maliziös.

Sofja wurde trotzdem berufen, hängte den Lehrbetrieb jedoch bald an den Nagel und wurde Schriftstellerin und Frauenrechtlerin. Die jetzige Berliner Berufungskommission wird wohl nicht weniger galant sein als die Alt-Schweden. Sie wird den Fortschritt der Mathematik nicht befördern, vielleicht aber die deutsche Gender-Literatur.

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