© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

Wohngemeinschaft für Götter
Berlin: Wo früher eine der ältesten Kirchen der Stadt stand, wird eine multireligiöse Begegnungsstätte geplant
Fabian Schmidt-Ahmad

Polytheisten haben es einfacher. Jede Veränderung des Lebens kann sich in ihrer Götterwelt widerspiegeln. Der Monotheist dagegen hat nur den einen Gott. Begegnet ihm jemand mit einem anderen Gott, so kann er jene beiden nicht so einfach in sein Haus aufnehmen. Wurde diese Verhältnisbestimmung bisher für gewöhnlich durch Unterwerfung bestimmt, in dem die Anhänger der einen die der anderen Religion unterdrückten, so will man in Berlin einen anderen Weg gehen.

„The House of One“ heißt das Projekt, welches auf dem Gelände der 1964 vom SED-Regime abgerissenen Petrikirche in Mitte einen neuen Sakralbau errichten will. Doch nicht einfach eine Kirche auf dem geschichtsträchtigen Petriplatz sollte es sein, sondern gleich ein gemeinsam genutztes Gebäude für Juden, Christen und Moslems, die hier „ihre Gottesdienste feiern und unter Einbeziehung der mehrheitlich säkularen Stadtgesellschaft einander kennenlernen“, wie es in der Charta des Projektes heißt.

Die Idee für diese monotheistische Wohngemeinschaft – man ahnt es – kam einem evangelischen Theologen. „Es paßt gut zu Berlin, der Stadt des friedlichen Mauerfalls und des friedlichen Miteinanders der Religionen“, sagte Pfarrer Gregor Hohberg von der Gemeinde St. Petri-St. Marien dem Tagesspiegel. Die für den Bau veranschlagten 43,5 Millionen Euro sollen ausschließlich durch Spenden erbracht werden. Derzeit steht das dafür eingerichtete Online-Spendenbarometer allerdings erst bei 13.230 Euro.

Auch in anderer Hinsicht kämpft „The House of One“ noch mit Anlaufschwierigkeiten. Zwar hat die Jüdische Gemeinde zu Berlin bereits ihre Mitarbeit zugesichert. Künftig sollen hier Rabbiner in der Ausbildung „eine Zeitlang arbeiten und etwas ausprobieren“, sagte Rabbi Tovia Ben-Chorin der Welt. Ein entsprechendes islamisches Pendant, welches zu einer öffentlichen Zusammenarbeit mit Juden und Christen bereit wäre, ließ sich aber lange Zeit nicht finden. Ausgerechnet die für ihre konspirative Art berüchtigte Fethullah-Gülen-Bewegung will sich nun einbringen. Doch das ihr zugehörige Forum für Interkulturellen Dialog möchte auf diese Verbindung eher nicht angesprochen werden. Auch sonst gibt sich Imam Kadir Sanci etwas wortkarg. „Es wird ein religiöses Leben stattfinden“, heißt es lakonisch auf die Frage, was der islamische Beitrag sein wird. Man werde deutsch sprechen „an den Stellen, wo es möglich ist“. Das verspricht noch spannend zu werden.

Immerhin stammt von Gülen der Ausspruch: „Ihr müßt in die Arterien des Systems eindringen, ohne bemerkt zu werden, müßt warten, bis der Moment gekommen ist“ (JF 35/13). In der Charta steht dagegen als Forderung: „Es ist nicht die Absicht einer Religionsgemeinschaft, die Errichtung und Nutzung des neuen Bet- und Lehrhauses mit dem Ziel eines missionarischen Handelns in Hinsicht auf die anderen Religionsgemeinschaften zu verbinden.“

Überhaupt steht in der Charta so einiges, was erklärt, wieso die multireligiöse Wohngemeinschaft sich schwer damit tut, einen moslemischen Mitbewohner zu finden. Beispielsweise müssen die Unterzeichner „auf jegliche Gewalt als Mittel zum Austragen von Differenzen ebenso verzichten wie auf eine finanzielle oder ideelle Unterstützung von Dritten, deren Handeln dieser Kultur der Gewaltlosigkeit zuwiderläuft“. Das hieße aber: kein dubioses Öl-Geld, welches hierzulande die Moscheen üppig sprießen läßt.

„Doch Allah ist Zeuge, daß sie bloß Lügner sind“

Ganz abgesehen davon dürfte es auch schwer sein, einen frommen Moslem vom Sinn einer Spende zu überzeugen. Schließlich spricht der Koran recht eindeutig, beispielsweise in Sure 9, Vers 107, über „jene, die eine Moschee erbaut haben, um Unheil, Unglauben und Spaltung unter den Gläubigen anzustiften, und als einen Hinterhalt für den, der zuvor gegen Allah und Seinen Gesandten Krieg führte. Sie werden sicherlich schwören: ‚Wir bezweckten nur Gutes‘. Doch Allah ist Zeuge, daß sie bloß Lügner sind“.

Das Vorhaben bietet viel Potential für Erkenntnis. Denn je genauer man jemanden kennenlernt, desto schwieriger wird es werden, die eigenen Vorstellungen, Wünsche, Befürchtungen und dergleichen mehr weiter auf den anderen zu projizieren. Das dürfte auch die leitende Idee des Projektes gewesen sein. Die Chancen stehen also gut, daß diese Kirchen-Moschee-Synagoge ihren Zweck erfüllen wird. Allerdings in einem anderen Sinne, als dies Hohberg und seinen Mitstreitern vielleicht vorschweben mag.

www.bet-lehrhaus-berlin.de

Foto: Entwurf für die Kirchen-Moschee-Synagoge: „Es wird ein religiöses Leben stattfinden“

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