© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

Dann lieber ins Museum
Traditionsunternehmen: Die Porzellan-Manufaktur in Meißen treiben Geldsorgen um / Umbau zu einer Luxus-Marke
Richard Stoltz

Die Meißner Porzellan-Manufaktur ist faktisch pleite. Die für sie Verantwortlichen im Freistaat Sachsen sind zur Zeit hektisch damit beschäftigt, sich außer der traditionellen Herstellung von künstlerisch wertvollem Porzellan weitere Geschäftsfelder zu erschließen. Porzellan als Kunstwerk allein geht nicht mehr.

Experten raten dazu, „Meißen“ konsequent zu einem internationalen „Label“ für Luxus und teure Kunst überhaupt auszubauen, nach dem Vorbild von Louis Vuitton, Versace, Hermès. Es würde dann unter „Meißen“ nicht nur Porzellan verkauft, sondern auch hochpreisige Bekleidung, Taschen, Schmuck, Düfte, Brillen, Accessoires aller Art. Es käme nicht mehr auf die Sachen selbst an, nicht einmal in erster Linie auf deren (reale oder nur behauptete) Qualität, sondern einzig noch auf den Namen.

Aber kann so etwas gutgehen? Alle heute berühmten Luxus-Labels, Armani etwa, Versace, Lagerfeld, sind doch untrennbar mit den Namen und den Schicksalen ihrer Gründer verbunden und beziehen von dorther ihre Attraktivität. Der schlichte Ortsname Meißen paßt einfach nicht in diese Gesellschaft. Er klingt nach biederer Handwerklichkeit, also nach dem, was Luxuskäufer gerade nicht wollen.

Der Gründer der Meißner Porzellan-Manufaktur wiederum, Johann Friedrich Böttger (1682–1719), war sein Leben lang ein ernster Mann der Wissenschaft. Wer würde denn seinetwegen heute ein überteuertes Täschchen oder Gerüchlein kaufen? „Ich kaufe nicht mehr bei Armani, nur noch bei Böttger.“ Solchen Kundenspruch kann man sich schwer vorstellen.

Sogar wenn die Dinge für die Manufaktur finanziell einigermaßen liefen – sie würde einen gewaltigen Prestigeverlust erleiden. Zur Zeit ist sie noch ein bedeutendes Monument europäischer Wirtschafts- und Kulturgeschichte, bald wäre sie nur noch eine modische Ladenkette. Dann lieber ab ins Museum.

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