© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

Politische Haft in der Weimarer Republik: Kommunistische Greuelpropaganda
Stadtausgang und Drei-Gänge-Menüs
(wk)

Im Jahr 1929/30 wurde das KPD-Blatt Die Rote Fahne nicht müde, die angeblichen Leiden der kommunistischen Insassen der pommerschen Festungshaftanstalt Gollnow anzuprangern: Die Gefangenen würden „viehisch“ mißhandelt und befänden sich aufgrund des „mörderischen“ preußischen Strafvollzuges permanent in „äußerster“ Lebensgefahr. Wie der Historiker Jürgen W. Schmidt im soeben erschienenen neuesten Band der Baltischen Studien (99/2013) nachweist, handelte es sich dabei um ein Musterbeispiel kommunistischer Propaganda. In Wirklichkeit nämlich genossen die inhaftierten KPD-Funktionäre ganz unerhörte Privilegien, angefangen von den opulenten Drei-GängeMenüs zur Mittagszeit über die kostenlose Bereitstellung kommunistischer Zeitungen und Bücher bis hin zum täglichen fünfstündigen Stadtausgang, der auch gerne einmal für die Teilnahme an Demonstrationen genutzt wurde. Diese Hafterleichterungen wurden seitens der sehr wohlwollend veranlagten Direktoren Schaefer und Dronsch sogar dann noch gewährt, nachdem die Gefangenen Fluchtversuche oder Meutereien unternommen hatten. Ebenso gelang es den Inhaftierten am 1. Mai 1930, die ganze Strafanstalt mit roten Fahnen zu drapieren – und der militante Rot-Front-Bund-Kämpfer Rudolf Schwarz durfte sogar Schießübungen mit einer Luftdruckpistole veranstalten.

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