© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

„Das Recht und der Wille des Führers sind eins“
Nacht der langen Messer: Vor achtzig Jahren entledigte sich Hitler zahlreicher parteiinterner Kritiker / Übergang in den uneingeschränkten Führerstaat
Felix Krautkrämer

Drei Schüsse, dann ist Ernst Röhm tot. Die ersten beiden Kugeln gehen in seine Brust, getroffen sinkt er auf den Boden der Zelle 474 im Münchner Gefängnis Stadelheim. Es ist der frühe Abend des 1. Juli 1934, gegen 18 Uhr. Dann erhält Röhm den „Gnadenschuß“. Einer der mächtigsten Männer des Dritten Reiches ist tot. Der Kopf der SA. Auf Befehl Hitlers. Selbstmord zu begehen hatte Röhm ausgeschlagen. Ihm war zuvor eine Pistole in die Zelle gelegt worden. Doch Röhm war sich keiner Schuld bewußt, glaubte immer noch, es handle sich um einen Irrtum Hitlers. Als auch nach zehn Minuten noch kein Schuß aus der Pistole zu vernehmen war, betraten SS-Brigadeführer Theodor Eicke sowie SS-Obersturmbannführer Michael Lippert Röhms Zelle und liquidierten den SA-Chef.

Am Tag zuvor waren bereits mehrere SA-Führer auf Anweisung Hitlers auf dem Gefängnishof erschossen worden. Mit der Vollstreckung war der Kommandeur des Regiments „Leibstandarte“, Sepp Dietrich, beauftragt worden. Zu den ohne Prozeß Erschossenen gehörten unter anderen die beiden SA-Obergruppenführer und Polizeipräsidenten von München und Breslau, August Schneidhuber und Edmund Heines. In Berlin, wo zeitgleich eine Aktion von Hermann Göring in Gang gesetzt worden war, traf es SA-Gruppenführer Karl Ernst. Viele der Ermordeten hatten einst, wie auch Röhm, während der Nachkriegswirren in den Freikorps gekämpft und verstanden sich als eigentliche Träger der NS-Revolution. Seit der Machtergreifung waren sie zunehmend in Opposition zur Politischen Organisation (PO), im SA-Jargon auch spöttisch als P-Null bezeichnet, geraten.

Gemeinsame Sache von SS und Reichswehr

Röhm wollte sich nicht mit dem Status quo zufriedengeben. Anders als Hitler, der die Revolution für beendet erklärt hatte, schwebte ihm eine nationalsozialistische Revolution nach französischem und russischem Vorbild vor. Und deren Herz sollte die SA sein. Damit machte er sich nicht nur unter hochrangigen Parteifunktionären Feinde, sondern zog auch die Gegnerschaft der Reichswehr auf sich. Gemeinsam mit der SS wurden Pläne geschmiedet, sich Röhms und des rebellischen Teils der SA zu entledigen. Dabei kamen ihnen dessen politische Ziele zugute, die neben Kritik an der Herrschaftsausübung der NSDAP auch eine Kampfansage an die Reichswehr enthielten. In acht Punkten hatte sich Röhm für die „Evolution“ nach der „Revolution“ ausgesprochen und den Aufbau eines neuen Heeres aus SA und SS unter Wehrhaftmachung des ganzen Volkes gefordert. Röhm plädierte für eine Abkehr vom Polizeistaat, die Zulassung freier Meinungsäußerung und kritisierte den Kampf gegen die Kirchen sowie die Behandlung der Juden. Außenpolitisch trat er für Bündnisse mit England und Frankreich ein.

Für seine Gegner war es ein leichtes, Röhm daraus Putschvorwürfe anzulasten. Die Falle schnappte zu, als Röhm sich zu einer von Hitler in Wiessee anberaumten SA-Führer-Besprechung begab. Am frühen Morgen des 30. Juni wurden er und seine Unterführer aus den Betten heraus verhaftet, unter der persönlichen Leitung Hitlers. Es folgte eine dreitägige Mordwelle, der bis zu 200 Personen zum Opfer fielen. Auch die beiden Generäle Kurt von Schleicher und Ferdinand von Bredwo zählten zu den Toten. Ebenso wie die Mitarbeiter des Vizekanzlers von Papen, Edgar Julius Jung und Herbert von Bose. Sie waren für eine Rede verantwortlich, in der von Papen massive Kritik am Regierungsstil Hitlers gewagt hatte. Bereits am 3. Juli wurde die Säuberungswelle per Gesetz als „Staatsnotwehr“ für rechtens erklärt. Das Recht und der Wille des Führers, rechtfertigte Göring die Mordaktionen, seien eins. Es war der endgültige Abschied vom Rechtsstaat hin zum uneingeschränkten Führerstaat.

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