© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

Der Flaneur
Zu makellos, diese Beine
Andreas Harlaß

Der Kellner ist nett und flink. Er serviert mir und meiner Freundin Hefeweizen und Schwarzbier, dazu gibt es einen atemberaubenden Blick auf den Schloß-See und jahrhundertealte Eichen, Buchen und Platanen. So riesige, stolze Eichen sieht man selten. Erst recht nicht so viele auf einmal.

Der wunderbare Platz ist die Terrasse des Neuen Schlosses in Bad Muskau. Von Fürst Hermann von Pückler-Muskau 1863 bis 1866 zum prunkvollen Barockschloß umgebaut. Seit 2004 ist der Park, in dem es steht, Welterbe, die Neiße, die hindurchfließt, seit 1945 de facto Grenze zu Polen. Der Fürst ließ damals ganze Dörfer umsiedeln, um diesen Traumpark schaffen zu können.

Nur am leichten Akzent bemerke ich, daß sie die Neiße von Ost nach West überquerte.

„Ich bin einer der beiden einzigen Deutschen, die hier arbeiten“, sagt der Kellner. Es klingt stolz. Der Wirt, sein Chef also, ist Pole, das Pilsener auf der Karte kommt auch von dort.

Am nächsten Tag nehmen meine Freundin und ich den gleichen Platz auf der Schloßterrasse ein. Der junge Kellner ist nicht da. Statt dessen bedient nun eine junge, hübsche Frau, etwa 25 Jahre alt, Minirock. Sie hat traumhaft schöne Beine, ist lediglich etwas grell geschminkt. Sie lächelt freundlich, nicht geschäftstüchtig, und serviert genauso flink wie ihr deutscher Kollege. Nur am leichten Akzent bemerke ich, daß sie die Neiße von Ost nach West überquerte, um zur Arbeit zu gelangen. Vielleich kommt sie aus Lugknitz, dem nächsten Grenzort auf polnischer Seite. Verstohlen, meine Freundin sitzt ja neben mir, schaue ich auf ihre Beine und überlege, ob sie wohl Strümpfe trägt. Zu makellos, diese Beine.

Ich finde es leider nicht heraus. Nun suche ich nach meinen Zigaretten – ist ja eine Außenwirtschaft, wo man eigentlich rauchen darf – und bitte um den Ascher. „Nein“, sagt der Kopf auf den Zauberbeinen – und weist auf einen kleinen Aufkleber, auf dem eine Kippe rot durchgestrichen ist: „Ganzes Schloß: Rauchverbot.“ Wir trinken aus und zahlen. Zurück im Park ziehe ich den Rauch genüßlich ein: Hatte sie nun Strümpfe an – oder nicht?

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