© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/14 / 04. Juli 2014

Der Babyboom ist ausgeblieben
Demographie: Anders als von der Politik erhofft, führt das Elterngeld nicht zu einer Steigerung der Geburtenrate
Christian Schreiber

Experten sprechen von erwünschten und unerwünschten Nebeneffekten: Durch das Elterngeld ist der Anteil der arbeitenden Mütter massiv gestiegen, allerdings sinkt die generelle Bereitschaft zur Heirat, und es wächst der Trend zu den „Ein-Kind-Familien“.

Dies sind die Ergebnisse einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen in der die Beschäftigungssituation der Mütter in einer Frist bis zu fünf Jahre nach der Geburt des Kindes untersucht wurde. Die Studie stellt heraus, daß über diesen längeren Zeitraum gesehen das Elterngeld das Arbeitsmarktverhalten der Mütter in Deutschland entscheidend verändert hat. Unter anderem hat sich die Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig zu sein, durch die neuen finanziellen Leistungen um bis zu zehn Prozent erhöht. Diesen Effekt hatte die Politik erhofft, als sie das Elterngeld einführte.

Dessen Zahlung ist grundsätzlich auf zwölf Monate unmittelbar nach der Geburt des Kindes begrenzt. Über zwei Partnermonate läßt sich der Anspruch auf insgesamt 14 Monate ausweiten. Die Höhe des Elterngeldes richtet sich nach dem Nettoeinkommen des Elternteils, welcher den Antrag auf die Leistung stellt, und dient als vorübergehender Gehaltsersatz. Der Höchstsatz beträgt 1.880 Euro, im Durchschnitt erhalten Väter höhere Auszahlungen, da sie häufiger besser verdienen.

Die nun vorgelegte Studie kommt zu dem Schluß, daß das Elterngeld die Beschäftigungssituation der Mütter entscheidend verändert hat. Erstens arbeiten mehr Mütter als zuvor; zweitens leisten diese Frauen längere Arbeitszeiten; drittens kehren sie in stärkerem Maße an ihren ursprünglichen Arbeitsplatz zurück und letztlich belohnen viele Arbeitgeber die Frauen mit einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis. Der Zuwachs vollzog sich allerdings in der Teilzeit-, nicht der Vollzeitbeschäftigung. Drei bis fünf Jahre nach der Geburt arbeiteten die Mütter, die Elterngeld bezogen, viel häufiger im oberen Teilzeitbereich von etwa 30 Stunden pro Woche als im Bereich von 15 bis 20 Wochenstunden.

Der Staat zahlt jährlich fünf Milliarden Euro

Diese Resultate zeigen, daß sich die Einführung des Elterngeldes vor allem am Bedarf der Arbeitgeber orientiert hat. Gleichzeitig legt die Studie aber auch offen, daß die sogenannten Elterngeld-Mütter häufiger darauf verzichten, ein weiteres Kind zu bekommen. Dieses Verhalten hänge vermutlich mit der Entscheidung zusammen, früher wieder in das Berufsleben zurückzukehren, spätere Geburten seien aber nicht ausgeschlossen, schreiben die Autoren. Belegbare Zahlen gebe es für diese Annahme allerdings noch nicht. Das Elterngeld definiere zudem gesellschaftliche Normen neu, heißt es in der Studie. Es setze mit seiner Bezugsdauer von zwölf plus zwei Monate für den Partner erstmals einen präzise definierten Zeitpunkt, an dem Mütter wieder in das Erwerbsleben zurückkehren. Daß die Frauen deutlich seltener heiraten betrifft vor allem das Spektrum der Besserverdienenden. Wenn die Frauen gut verdienen, gebe es einen wirtschaftlich geringeren Ehegattensplitting-Vorteil für sie. „Durch die Elterngeldreform ist es weniger lukrativ, zu heiraten“, erklären die RWI-Autoren Jochen Kluve und Sebastian Schmitz ihre Erkenntnisse.

Und die neue Rolle des modernen Vaters gilt zudem als größter Erfolg der Reform. Denn eine partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit war eines der erklärten Ziele bei der Einführung des Elterngeldes, das den Staat jährlich fünf Milliarden Euro kostet. Die Studie basiert auf Daten des Mikrozensus der Jahre 2006 bis 2011 und umfaßt mehr als 11.600 Mütter, von denen knapp 5.900 in der Gruppe der Elterngeldbezieherinnen sind und rund 5.700 in der Vergleichsgruppe der sogenannten „potentiellen Bezieherinnen“, deren Kinder im letzten Quartal 2006 gezeugt wurden, also vor der Einführung des Elterngelds.

Die Autoren der Studie kommen zu dem Fazit, daß sich die Einführung durchaus positiv ausgewirkt habe, der von der damaligen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) erhoffte Babyboom aber ausgeblieben sei.

Kommentar Seite 2

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