© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/14 / 04. Juli 2014

Grüße aus Bern
Mohren unerwünscht
Frank Liebermann

Die Leser unter Ihnen, die mindestens vierzig Jahre oder mehr auf dem Buckel haben, kennen ihn vermutlich noch aus der eigenen Kindheit: den Sarrotti-Mohr. Mit dicken Lippen, gekräuseltem Haar, einem Turban und goldenen Ohrringen strahlte er uns von der Schokoladenverpackung an, die meist nicht lange standhielt.

So ähnlich sieht das Zunftsymbol der Berner „Schneider- und Tuchschererzunft zum Mohren“ aus, die inmitten der Stadt beheimatet ist. Seinen historischen Ursprung hat das originelle Symbol im 14. Jahrhundert und ist schon länger Bestandteil der Berner Stadtgeschichte. Tatsächlich hat die traditionsreiche Zunft ihren Namen erhalten, weil sie im Gasthof „Mohren“ tagte. Mit Schwarzen, Afrika oder anderen unschweizerischen Dingen hat der Name rein gar nichts zu tun.

Mit Speer und Schild in den Händen, verkörpere die Figur angeblich den falschen Zeitgeist.

Schon bei einem meiner ersten Spaziergänge vor vielen Jahren als Neuling in der Stadt ist mir auf Anhieb die Statue aufgefallen, auch die Fahne mit dem lustigen Motiv darauf. Bis vor kurzem habe ich mich darüber gefreut, daß die basisdemokratischen Schweizer so herrlich immun gegen jegliche dümmliche Form von Political Correctness sind. Schlecht gelaufen. Seit ein paar Tagen ist es mit meiner Freude vorbei.

Das Symbol prangt an mehreren Stellen in der Stadt prominent hervor. Fahnen, Wappen und eine Statue zeigen die Traditionsfigur. Das ist jetzt auch einigen „engagierten Bürgern“ und einem Stadtrat aufgefallen. Mit Speer und Schild in den Händen, verkörpere die Figur den falschen Zeitgeist, so die Meinung. So soll sie angeblich rassistische Stereotype in sich vereinigen, die dunkelhäutigen Menschen zugeschrieben würden.

Dabei ist den Statuenstürmern kein Argument zu skurril. Angeblich verweise die Statue auf die koloniale Zeit, mit all ihren negativen Auswirkungen. Zwar habe die Schweiz nie Kolonien gehabt, die Denkmuster seien aber immer dagewesen, meint ein „alternativer“ Politiker. Außerdem fördern solche Darstellungen den Eindruck, Schwarze seien wild und nicht zivilisierbar. Und jetzt das Schlimmste: Dieses Denken sei genau wie das der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volksaprtei.

Ändern möchte die Zunft den Namen nicht, auch die Statuen sollen bleiben. Selbst prominente Historiker wehren sich gegen die Bilderstürmerei. Wie es aussieht, bahnt sich ein Kompromiß an. Der Vorschlag ist im Raum, eine erläuternde Tafel anzubringen. Damit wäre auch den Touristen geholfen.

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