© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/14 / 04. Juli 2014

Neue Privilegien
Mindestlohn: Die Ausnahme für Zeitungsausträger ist ein weiterer Versuch der Politik, die Verlage bei Laune zu halten
Ronald Gläser

Wenn am Freitag der Mindestlohn vom Bundestag beschlossen wird, dann liegt eine nervige Woche hinter den Abgeordneten und Lobbyisten in Berlin. Bis zum Schluß drängten diverse Interessengruppen auf Ausnahmen für ihre Branche oder bestimmte Arbeitsverhältnisse wie Praktikanten und Saisonarbeiter. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) verriet dem Deutschlandfunk vor einer Woche, daß die „Verhandlungen auf parlamentarischer Ebene sehr intensiv“ gewesen seien. Während der Staat bei Landwirten etwa zu keinen erkennbaren Zugeständnissen bereit war, konnten Verleger ein einzigartiges Privileg aushandeln.

Zwar wird auch für Zeitungszusteller der gesetzliche Mindestlohn gelten, aber die Verlage erhalten dafür einen Rabatt bei Sozialleistungen: So soll das Arbeitsministerium mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ausgehandelt haben, daß die Verlage rund sechzig Prozent der Mehrkosten der anstehenden Lohnerhöhung erstattet bekommen.

Und das geht so: Der Arbeitgeberanteil an den diversen staatlichen Zwangsversicherungen beträgt bei Zeitungszustellern nicht 30 Prozent, sondern nur 12,5 Prozent – wie bei Minijobbern im haushaltsnahen Bereich.

Die Übereinkunft soll für fünf Jahre gelten. Die Verlage hatten zuvor geklagt, daß sie die Mehrkosten in Höhe von 225 Millionen Euro nicht schultern könnten, und damit gedroht, daß die Zustellung in ländlich geprägten Gegenden dann nicht mehr zu gewährleisten sei.

Es kommt hinzu, daß viele Zustelldienste ihr Abrechnungsmodell überarbeiten müssen: Bislang werden Austräger oft erfolgsabhängig bezahlt – beispielsweise zehn Cent pro Zeitung – oder pauschal für ein Zustellgebiet. Sollte der Staat die Firmen zwingen, einen Stundenlohn zu bezahlen, so müssen einige ihr Abrechnungssystem umkrempeln.

Aber rechtfertigt dies die Bevorzugung gegenüber allen anderen Branchen, auf denen derselbe Veränderungsdruck lastet? Es sind Zweifel angebracht, daß es der Bundesregierung nur um die Zustellerdichte auf dem Land geht. Christian Lindner (FDP) twitterte am Mittwoch vor einer Woche: „Ob da ein Zusammenhang zu den SPD-Verlagsbeteiligungen besteht? Hmmm.“ Die SPD ist über ihre Tochterfirma DDVG an über vierzig Zeitungen – etwa der Sächsischen Zeitung oder der Hannoverschen Allgemeinen – beteiligt. Viele der DDVG-Zeitungen zahlen keinen Mindestlohn (JF 3/14).

Aber nicht nur die direkte SPD-Verlagsbeteiligung könnte die Bundesregierung zu der Ausnahme motiviert haben: Generell macht Berlin gerne Gesetze, die den großen Zeitungen zugute kommen. Etwa 2013 das sogenannte Leistungsschutzrecht, das Google zu Strafzahlungen an Verlage verpflichtet, auf deren Seiten die Suchmaschine verlinkt.

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