© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/14 / 04. Juli 2014

Universitäre Innenansichten
Erschrecken über das deutsche Bildungswesen
Werner Olles

Die Geisteswissenschaften an bundesdeutschen Universitäten erstrecken sich inzwischen bis in ungeahnte Bereiche von Gendertheorie oder seltsamsten sozialwissenschaftlichen Orchideendisziplinen hinein. Viele Protagonisten in dieser um sich selbst drehenden akademischen Welt scheinen dabei völlig die Bodenhaftung und jeden Bezug zur Außenwelt verloren zu haben.

Mit dem schmalen Band „Aufhören. Berichte aus den nachgelassenen Papieren eines heiteren Chronisten“ legt der emeritierte Marburger Medizinhistoriker Armin Geus nun Innenansichten aus der hiesigen Hochschullandschaft vor, die bestens geeignet sind, den sentimentalen Glauben an das „hochqualifizierte deutsche universitäre Bildungswesen“ zu erschüttern. Dabei erinnern die Geusschen Erzählungen eher an Humoresken, doch weiß der Autor durchaus kritisch mit Sprache umzugehen. Seine lustvoll persönlich gefärbten Texte schwelgen in einer Situationskomik, die zum Weiterlesen animiert und streckenweise an die detailverliebten Absurditäten eines Eckhard Henscheid erinnert.

Tatsächlich kann Geus auch ganz anders, was er mit seinem aufsehenerregenden Buch „Die Krankheit des Propheten“ ( Marburg 2011) bewiesen hat. In dem Buch glaubte er dem angeblichen Gründer des Islam anhand eigener Quellenanalyse nachzuweisen, daß dieser an „halluzinatorischer Schizophrenie“ litt, mithin schlicht geisteskrank war. Das brachte ihm sogar Todesdrohungen ein. Offenbar läßt sich der Marburger Professor jedoch weder von tobenden Mohammedanern noch von „wissenschaftlich hochkarätigen und zugleich ideologisch unverdächtigen Gelehrten“, die an deutschen Universitäten ihr Unwesen treiben, ins Bockshorn jagen.

Ob es nun um den nicht ganz ernstgemeinten Vorschlag zur Etablierung eines „Universitätshochwasserwarts“, um gescheiterte Archäologen, dialektisch versierte Schöngeister, die einst zu den Wortführern des linken Blocks der Marburger Studentenschaft zählten, hypochondrische Hysteriker mit sadistischen Zügen oder diplomierte Psychologinnen mit hohem Verständnis für die fetischistischen Anteile männlicher Prothesenträger geht: Für sie alle gilt Geus’ ebenso wohlgemeinter wie apodiktischer Zuruf: „Aufhören“!

Armin Geus: Aufhören. Berichte aus den nachgelassenen Papieren eines heiteren Chronisten. Basilisken-Presse, Rangsdorf 2014, broschiert, 70 Seiten, 16,50 Euro

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