© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/14 / 04. Juli 2014

Frisch gepresst

Kulturkrieg. „Es gab auch in Frankreich literarische Bellizisten wie Maurice Barrès, der sich schon früh bei den revanchegierigen Boulangisten engagierte.“ Und auch bei den Russen meldete sich 1914 unter den Hochschullehrern ein „bellikoser Chauvinismus“ zu Worte. Für den Potsdamer Historiker Ernst Piper, der ein „geistiges Panorama des Großen Krieges“, wie er in den akademischen Schützengräben und an Schreibtischfronten ausgefochten wurde, liefern möchte, sind solche „relativierenden“ Hinweise auf die Internationalität des „Kulturkrieges“ schon fast ein Schritt in Richtung „nationalapologetisches“ Schrifttum (Heinrich August Winkler) im Stile Christopher Clarks und Herfried Münklers. Ansonsten neigt Piper indes nicht dazu, seine germanozentrischen Befangenheiten hinter sich zu lassen. Zumal er zur Revision durch Clarks „Schlafwandler“ nicht gezwungen wurde, da er die seit 2012 vorliegende englische Ausgabe für das eigene, im Herbst 2013 gedruckte Werk angeblich nicht mehr adäquat habe verwerten können. Folglich sieht der 62jährige Autor keinen Anlaß, sich von altbundesdeutschen Geschichtsmären zu verabschieden. Etwa vom schuldstolzen Narrativ, „gerade in Deutschland“ hätten sich die Intellektuellen eben am meisten „chauvinistisch“, „rassistisch“, „antisemitisch“ im kulturellen Propagandakrieg gebärdet. (ft)

Ernst Piper: Nacht über Europa. Kulturgeschichte des Ersten Weltkrieges.Propyläen Verlag, Berlin 2013, gebunden, 587 Seiten, Abbildungen, 26,99 Euro

 

Luftkrieg. Namen wie Immelmann, Richthofen, Boelcke auf deutscher oder Fonck, Mannock und McCudden auf seiten der Entente umweht bis heute der Nimbus von den „Rittern der Lüfte“. Tatsächlich hob sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs der Kampf „Mann gegen Mann“ über der Erde deutlich vom mechanisierten Töten in den Gräben ab. Aber je weiter sich Technik und Taktik entwickelten und die Unerbittlichkeit zwischen den Kriegsparteien zunahm, vollzog sich auch in den Wolken eine zunehmende Enthemmung, wie der Sammelband von Horst Schuh dokumentiert. Bombenangriffe auf feindliche Städte – London und Paris genauso wie Trier oder Köln – gehörten später zur allgemeinen Praxis. Lediglich die überschaubare Wirkung verhinderte, daß sich diese Art des Luftkriegs im kollektiven Gedächtnis festsetzte. (bä)

Horst Schuh (Hrsg.): Luftkrieg über Front und Heimat 1914/18. Flieger und Luftschiffer zwischen Westfront und Rhein. Helios Verlag, Aachen 2014, gebunden, 153 Seiten, Abbildungen, 34 Euro

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