© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Abgeseilt
Natur pur: Waldkletterparks liegen voll im Trend / Die JF hat einen ausprobiert und weiß, wieviel Spaß es macht
Christian Rudolf

Mit dem Appell zu mehr „Bewegung!“ warb neulich Der Spiegel um Kioskkäufer, bebildert mit einer etwas verkrampft in die Höhe gehüpften Blondine. Im Text mahnte ein Mediziner: „Wer seine Muskeln nicht trainiert, der kommt häufiger in Stolpersituationen.“ Und wer will da schon hin? Der Sommer ist da, die Luft angenehm, die Sonne ruft ins Freie: Also los, tu was!

Auf dem Könnerparcours steigt der Adrenalinspiegel

Im Wald joggen oder den Trimm-dich-Pfad nehmen? Oder in der Muckibude Bizeps und Trizeps kitzeln? Waldseilparks verbinden ideal die Vorteile von beidem: Frischluft, Naturerlebnis, Krafttraining und Atemholen vom Alltag. Weil das abenteuerliche Balancieren zwischen Baumwipfeln sich so großer Beliebtheit erfreut, ist die Zahl der Kletterparks innerhalb weniger Jahre rasant gestiegen. Die Netzseite Kletterparks.info verzeichnet gegenwärtig 461 Anlagen übers ganze Land verteilt – an künstlich errichteten Pfählen gespannte Hochseilgärten ebenso wie die naturbelassen wirkenden Waldseilparks innerhalb echter Wälder.

Raus nach Potsdam ins Grüne. Im Buchenwald am Brauhausberg lockt das Outdoor-Erlebnis: Der Abenteuerpark Potsdam gehört mit seinen 170 verschiedenen Elementen zu den größeren Kletterwäldern Deutschlands, die Übungen hoch über dem laubbedeckten Boden erstrecken sich über eine Gesamtlänge von sagenhaften 1,7 Kilometern. Zwölf Parcours mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden lassen hier jeden, der mindestens 1,20 Meter groß ist, auf seine Kosten kommen: Kinder, Einsteiger und geübte Kletterenthusiasten. Mit Helm, festen Schuhen und strapazierfähigen Klamotten stehe ich da, angriffslustig. Ich will los auf den Könner- und Spezialisten-Parcours! Der Parkranger hat eben die Gurte an meinem Körper festgezurrt und mein rotes Sicherungsseil eingeklinkt. Aber am Parcours für Fortgeschrittene. Könne mich ja später immer noch steigern. Erst mal ein Gefühl an den leichteren Strecken bekommen. Ein aufmunternder Blick, und ich bin auf mich allein gestellt.

Mit Händen und Füßen klettere ich das Aufstiegsnetz hoch. Vom Schatten der stattlichen Buchen beschirmt, führt der Parcours über zwischen Netzen gespannte Taue, Brücken aus hintereinanderschwingenden Bohlen, über einen Balancierbalken. Alles wie auf Abenteuerspielplätzen für Kinder, wäre da nicht die Tiefe unter mir. Zweimal halte ich mich am Sicherungsseil und fange mich wieder. Der weitere Weg führt am Baumstamm entlang einen engen Klettertunnel hoch. Hochhangeln, nicht weiter wild. Am Ende die erste kleine Überwindung: von der sicheren Plattform abspringen und sein Gewicht einem Stahlseil anvertrauen – mit der Seilbahn sause ich zum Ausgangspunkt. Hey!

Auf dem ersehnten Könnerparcours geht’s dann richtig zur Sache. Mut, Geschicklichkeit und Kraft sind herausgefordert, psychische Künste auch, während die nächsten nachdrängen: Ruhig Blut. Das schaffst du. Du bist schon aus ganz anderen Nummern wieder rausgekommen. Eine waagerechte Strickleiter, die durchhängt, so daß ich nicht an das Halteseil über mir reiche. Na ja, dann eben auf allen Vieren drübergekrochen – man muß sich nur zu helfen wissen. Zwölf Meter über dem Boden dann: schräg angeordnete Rundhölzer, an Seilen schwingend. Nach Betreten wackelt alles, nichts Festes mehr ringsum, beim Wechseln vom einen zum anderen gibt nur kräftiges Zupacken ein halbwegs sicheres Gefühl. Aus dem Alltag unbekannt: Zum erstenmal eine Empfindung wie „Gefahr“. Im Blickfeld jetzt ausgerechnet die Grabsteine auf dem Potsdamer Neuen Friedhof nebenan. Die Toten. Liegen da so herrlich entspannt, während du hier in den Seilen hängst ... Die nächste Übung: Die Distanz zwischen zwei Bäumen kann nur an einem Tau überwunden werden. Wie Tarzan an seiner Liane schwinge ich mich drüber. Kurzes Verschnaufen auf der Plattform. Der Adrenalinspiegel ist hoch, der Spaß perfekt. Ein Faß, das sich zu drehen beginnt, sobald man es betritt – die reinste Schikane! Ohne die bis auf Schulterhöhe herabhängenden Halteseile ginge hier wohl nichts mehr.

Ein Schlitten, in acht Metern Höhe zwischen die Buchenwipfel gesetzt und nur mit schwunghaftem Aufspringen in Bewegung zu bringen, wirkt da als Erhol-Element. Das Überqueren von Gebirgsbrücken ist trickreich erschwert durch in die Bahn hängende Boxsäcke. An einem viele Meter langen Seil-Spinnennetz sind Koordination von Arm- und Beinarbeit gefragt. Das rote Sicherungsseil habe ich zwischendurch oft vergessen. Greifend, hangelnd, ziehend, klammernd, schwingend, balancierend, verging der Abenteuertrip wie im Flug. Mit einem anderen Körpergefühl schnalle ich die Gurte los.

Ganz belebt, hellwach und irgendwie wie durchgeknetet fühle ich mich, das Hemd klebt am verschwitzten Leib, die Prellung in der Rippengegend habe ich, als sie geschah, gar nicht bemerkt. Auf den blauen Fleck bin ich noch lange stolz.

www.kletterparks.info

www.abenteuerpark.de

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