© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/14 / 18. Juli 2014

Drei auf einen Streich
Alternative für Deutschland: In Sachsen, Thüringen und Brandenburg bereiten sich die Euro-Kritiker auf den Sprung in die Landtage vor
Marcus Schmidt

Der Wahlkalender meint es gut mit der Alternative für Deutschland (AfD). Nach dem Einzug der Partei in das Europaparlament Ende Mai stehen die Zeichen bereits wieder auf Wahlkampf: Und bei den Urnengängen in Sachsen (31. August) sowie Brandenburg und Thüringen (14. September) sieht es gut aus, daß die AfD in drei Landtage einzieht und sich damit endgültig etabliert. In der Partei ist man sich der Chance bewußt. Alles andere als ein Dreifachtriumph würde intern als Rückschlag angesehen. Den Parteistrategen spielt dabei in die Karten, daß die drei Länder bereits bei der Bundes- und der Europawahl jeweils überdurchschnittlich gut abgeschnitten haben.

Dabei ist die Ausgangslage in den Landesverbänden durchaus unterschiedlich. Der stärkste Landesverband der östlichen Bundesländer ist Sachsen. Der von AfD-Sprecherin Frauke Petry geführte Verband gilt bei der Wahl zum Dresdner Landtag als sichere Bank. Doch den Start in den Wahlkampf haben die Sachsen verpatzt. Erst mußte die Nummer zwei der Landesliste, der stellvertretende Landessprecher Thomas Hartung, zurücktreten, nachdem er sich auf Facebook mißverständlich über einen spanischen Lehrer mit Down-Syndrom geäußert hatte (JF 27/14). Dann sorgte Spitzenkandidatin Petry mit Äußerungen zur Linkspartei für Aufsehen. In der Leipziger Volkszeitung schloß sie nicht aus, daß die AfD nach der Landtagswahl in Sachsen eine Koalition aus SPD und Linkspartei oder ein rot-rot-grünes Bündnis tolerieren könnte. Was offensichtlich als Versuch gedacht war, in der Öffentlichkeit eine Distanz zur CDU herzustellen, sorgte unter den eigenen Anhängern und bei der politischen Konkurrenz für einigen Wirbel. Doch Petry ließ sich nicht beirren: „In Sachfragen muß natürlich miteinander geredet werden“, sagte sie der JUNGEN FREIHEIT. „Ansonsten wäre die AfD ja nicht besser als die anderen Parteien.“

Partei-Vize Alexander Gauland, der die Partei in Brandenburg in die Landtagswahl führt, zeigte Verständnis für die Position Petrys. Er verwies darauf, daß viele ehemalige Wähler der Linkspartei bei der Bundestagswahl ihr Kreuz bei der AfD gemacht hätten. Vor allem bei der Einwanderung und dem Asylrecht seien die Linksparteiwähler häufig konservativ eingestellt.

Auch in Thüringens AfD gingen die Wogen zunächst hoch. Über Monate bestimmten parteiinterne Querelen das Bild. Erst nachdem auf einem Parteitag Mitte Juni der alte Vorstand zurücktrat und der in die Kritik geratene Sprecher Matthias Wohlfahrt auf eine erneute Kandidatur verzichtete, beruhigte sich die Lage. Damit ja nichts schiefgehen konnte, war Parteichef Bernd Lucke eigens nach Stadtroda gekommen.

Die Bundespartei hat Hilfe zugesagt

Nun nimmt die Partei mit Spitzenkandidat Björn Höcke den Sprung in den Erfurter Landtag in den Blick. „Auch in Thüringen ist die Zeit reif für eine politische Alternative“, sagte der 41 Jahre alte Familienvater der JF. Es herrsche eine große Politikverdrossenheit, die Altparteien würden von den Bürgern nur noch als Einheitsfront wahrgenommen und seien ununterscheidbar. „Wir brauchen eine grundlegende Erneuerungsbewegung“, sagte Höcke. „Die Demokratie muß fürs Volk zurückerobert werden.“ Darin sehe er die „historische Mission“ der AfD. Eine zentrale Rolle spiele dabei die Meinungsfreiheit. Diese sei notwendig, um die Political Correctness, die wie eine steinerne Grabplatte auf dem Volk liege, zu überwinden. „Mich hat der Leidensdruck beim Blick auf die Zukunft des Landes in die Politik getrieben“, machte Höcke deutlich und verwies auf die demographische Krise.

Die Bevölkerungsentwicklung in Thüringen befinde sich im freien Fall. „Bis zum Jahr 2030 werden wir weitere 30 Prozent unserer Bevölkerung verloren haben, bei gleichzeitiger Überalterung der Zurückgebliebenen“, rechnet Höcke vor. Um die demographische Katastrophe aufzuhalten, müßten die Themen Kinder und Familie ganz oben auf der politischen Agenda stehen. „Das heißt für die AfD Thüringen ein unbedingtes Ja zur klassischen Familie, denn nur aus der Verbindung von Mann und Frau entspringen Kinder, die unserer Gemeinschaft Dauer verleihen“, sagt der Vater von vier Kindern. „Wenn wir hier die Abwärtsentwicklung nicht aufhalten können, brauchen wir uns über kein anderes Thema mehr zu unterhalten“, macht er deutlich. Daneben spielt für den Gymnasiallehrer die Bildung eine zentrale Rolle. Hier spricht sich seine Partei eindeutig für das gegliederte Schulsytem aus. Auch bei den Wahlkämpfern der AfD in Sachsen und Brandenburg nehmen die Themen Familie und Bildung eine zentrale Rolle ein. Gleiches gilt für das klassisch „konservative“ Thema Innere Sicherheit, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen.

„In Brandenburg spielt die Kriminalität an der Grenze eine besondere Rolle“, sagt Gauland. Ähnlich sieht es in Sachsen aus.

Die drei Spitzenkandidaten Petry, Gauland und Höcke wollen sich demnächst über eine gemeinsame Wahlkampfstrategie unterhalten. Denn alleine kann keiner der drei Landesverbände den nunmehr dritten Wahlkampf innerhalb eines knappen Jahres stemmen. Deshalb wird auch die Bundespartei den wahlkämpfenden Landesverbänden organisatorisch und finanziell unter die Arme greifen. Vom Bundesverband hat jeder ein Darlehen in Höhe von 150.000 Euro als Wahlkampfunterstützung erhalten. „Für uns ist das Luxus. Im Bundes- und Europawahlkampf hatten wir weniger zur Verfügung“, sagte Höcke. Doch nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Brüssel hat sich Unterstützung angesagt. Alle sieben Europaabgeordneten der Partei haben Wahlkampfauftritte angekündigt, mindestens bis zum 31. August. Dann enden die Ferien des Europaparlaments.

Zumindest in Sachsen und in Thüringen könnte sich nach der Wahl für die AfD tatsächlich die Frage stellen, vor der sich manche in der Partei bereits fürchten. Sollten sich die Euro-Kritiker im Fall der Fälle in irgendeiner Weise an einer Regierungsbildung beteiligen? „Wir werden niemandem hinterherlaufen“, gab Lucke am Montag in Berlin die Linie vor. Bei Bedarf sei die Partei jedoch zu Gesprächen bereit. „Wir sind keine Fundamentalisten wie früher die Grünen“, sagte er mit Blick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung. Die AfD sei eine sachorientierte Partei, am Ende aber gelte: „Die Landesverbände entscheiden“, machte der AfD-Chef deutlich. Für Thüringens Spitzenmann Björn Höcke ist klar, daß in einer Parteiendemokratie nur durch eine konstruktive Mitarbeit Veränderungen zu erreichen seien. Doch eine mögliche Zusammenarbeit mit den „Altparteienapparatschiks“ habe ihre Grenzen: „Ich werde mich nicht abschleifen lassen“, verspricht er.

 

Landesverband Brandenburg

Die CDU kann ein Lied davon singen, wie schwer es „konservative“ Parteien in der „Kleinen DDR“ haben. Dennoch liegt die vom 73 Jahre alten stellvertretenden Parteisprecher Alexander Gauland geführte märkische AfD derzeit in den Umfragen bei sechs Prozent. Die Schulproblematik , die Innere Sicherheit und das kostspielige Desaster um den Flughafen Berlin-Brandenburg werden im Wahlkampf des rund 550 Mitglieder zählenden Landesverbandes eine zentrale Rolle spielen.

Umfrage: 6 Prozent

 

Landesverband Sachsen

Der von Parteisprecherin Frauke Petry geführte sächsische Landesverband ist mit 650 Mitgliedern der stärkste AfD-Verband in Mitteldeutschland und gilt als besonders konservativ. Die 39 Jahre alte Unternehmerin hat bewußt auf eine Kandidatur für das Europaparlament verzichtet, um sich auf die Landespolitik zu konzentrieren. Neben den Standardthemen wie Bildung und Innere Sicherheit machte die Partei mit der Forderung nach Volksabstimmungen über Moscheebauten von sich reden.

Umfrage: 7 Prozent

 

Landesverband Thüringen

Spitzenkandidat ist der 41 jahre alte Gymnasiallehrer Björn Höcke, der auch Landessprecher der Partei ist. Er will die AfD mit den Themen Familie, Bildung und Meinungsfreiheit in den Erfurter Landtag führen. Organisatorisch ist der Thüringer Landesverband verhältnismäßig schwach auf der Brust. Die rund 350 Mitglieder sind im Wahlkampf auf Hilfe angewiesen. Eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage von Ifratest dimap sieht die Partei in Thüringen knapp unter der Fünfprozenthürde.

Umfrage: 4 Prozent

Foto: AfD-Wahlkämpfer in Aktion: „Die Demokratie muß für das Volk zurückerobert werden“

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