© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/14 / 18. Juli 2014

Preissenkungen erzwingen notwendige Anpassungen
Lob der Deflation
Jörg Guido Hülsmann

Weltbank und EZB schlagen Deflationsalarm für den Euroraum. Angesichts einer bereits sehr niedrigen Preissteigerungsrate sei zu befürchten, daß Verbraucher und Unternehmen sich demnächst mit Ausgaben zurückhalten, weil sie auf noch niedrigere Preise in der Zukunft hoffen. Das könne eine gefährliche Spirale in Gang setzen. Bereits jetzt seien solche Tendenzen in Griechenland zu beobachten.

Tatsächlich steigen die Verbraucherpreise in der Eurozone. Vor der Ära Draghi war niemals die Rede davon, daß die Preisinflationsrate mindestens zwei Prozent betragen müsse. Die EZB hatte seinerzeit einen Korridor von 0 bis 2 Prozent angestrebt, aus dem kurzfristig Ausbrüche nach unten und nach oben möglich waren. Eine durchschnittliche Preisinflation von zwei Prozent bedeutet, daß in einigen Gegenden die Preise stärker steigen, während sie woanders schwächer steigen bzw. sogar fallen. Das war unter den nationalen Währungen nicht anders, und auch im Euroraum ist das nichts Neues. Als in Deutschland und Holland vor zehn Jahren die Preise sanken, gab es keine Sonderprogramme zur Deflationsbekämpfung.

Sinkende Stückpreise sind Teil der Marktwirtschaft. Sie bedeuten auch keineswegs an sich bereits sinkende Einkommen. Wenn allerdings gleichzeitig der Absatz stockt, dann sinken in der Tat nicht nur die Preise, sondern auch die Einkommen. Was dann? Auch dann sind sinkende Preise zwar ungeliebt, aber aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sehr heilsam. Sie erzwingen strukturelle Änderungen bei den Haushalten, Firmen und Staaten; die Wettbewerbsfähigkeit steigt. Das geschieht gerade in Griechenland und Spanien. Die Politik der EZB schiebt dringend notwendige Reformen auf die lange Bank. Noch mehr Geld wird auf Kosten der nordeuropäischen Steuerzahler verbraten.

Was aber, wenn die Deflation auch auf Nordeuropa übergreift? In erster Linie könnten unsere Banken betroffen sein. Sie haben in südeuropäische Staatspapiere investiert und sind mit den Banken dieser Länder stark verflochten. Unsere Banken können den Gürtel kaum noch enger schnallen, denn sie arbeiten bereits mit einer extrem dünnen Eigenkapitaldecke. Wenn sie in Konkurs gehen, gehen auch bei uns erst einmal die Lichter aus.

Das ist das eigentliche Deflationsproblem der Eurozone. Aus Eigennutz haben die Staaten jahrzehntelang alles getan, um den Bankensektor aufzublasen. Heute ernten wir die bösen Früchte dieser Politik. Die Banken halten den Staat im Würgegriff und verleiten die Politik zu immer neuen Tollheiten. Hier wäre ein schreckliches Ende allemal besser als ein Schrecken ohne Ende. Vielleicht können die brutalen Sachzwänge einer Deflation endlich Abhilfe schaffen. Gelobt sei die Deflation!

 

Prof. Dr. Jörg Guido Hülsmann lehrt VWL an der französischen Universität Angers.

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