© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/14 / 18. Juli 2014

Konkurrenz von der Kommune
Ordnungspolitische Sündenfälle: Aktuelle Studien belegen, wie Staatsbetriebe Privatunternehmen das Wasser abgraben und dabei Verluste einfahren
Christian Dorn

Vor einer „Überdehnung der kommunalen Wirtschaftstätigkeiten“ warnte die Monopolkommission des Bundes in ihrem Jahresgutachten. Die Kommission, die aus zwei Professoren und drei Praktikern besteht, gehört zu jenen wenigen bundesrepublikanischen Institutionen, die regelmäßig zum ordnungspolitischen Maßhalten aufrufen, wenn der Body-Mass-Index des angeblich „schlanken Staates“ durch die Decke geht. Der Vorsitzende Daniel

Zimmer, Professor für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bonn, sieht einen ungesunden Trend zur Rekommunalisierung von zuvor privatisierten Wirtschaftsunternehmen.

Die Kritik der Monopolkommission stützt die Ergebnisse der Studie „Staat vor Privat?“ des Deutschen Steuerzahlerinstituts, der Forschungsabteilung des Bundes der Steuerzahler. Danach stieg die Zahl kommunaler Unternehmen von 10.909 im Jahr 2000 auf 13.447 im Jahr 2011. Die Umsätze der Staatsunternehmen haben sich im gleichen Zeitraum sogar von 131 auf 267 Milliarden Euro mehr als verdoppelt, ihr Anteil am nominalen Bruttoinlandsprodukt wuchs von sechs auf zehn Prozent. Das Wachstum der Staatswirtschaft engt die Spielräume der Privatwirtschaft ein. „Aus ordnungspolitischer Sicht bedürfen wirtschaftliche Betätigungen des Staates stets einer besonderen Rechtfertigung. Da sie häufig zu Wettbewerbsverzerrungen führen, sollte eine staatliche Intervention nur in engen Grenzen möglich sein“, schreibt Karolin Herrmann, die Autorin der Studie.

Längst hat der Fiskus staatlichen Betrieben wie Wasserversorgern Steuerprivilegien eingeräumt und sie von der Körperschaft- und Umsatzsteuer befreit. Das wirtschaftliche Risiko trägt ohnehin der Steuerzahler. Fatalerweise erschließen sich gerade finanziell angeschlagene Kommunen zusätzliche Einnahmequellen über kommunale Unternehmen, und sei es nur, um unrentable Schwimmbäder querzusubventionieren. So nahm der „Nettogewinn“ kommunaler Unternehmen von 4,9 Milliarden 2007 auf 2,8 Milliarden Euro 2011 ab. Demgegenüber stieg der Zuschußbedarf auf 5,9 Milliarden Euro. Schlußlicht unter den Bundesländern ist Brandenburg, das durch kommunale Betriebe 2011 im Saldo ein dickes Minus von fast einer Milliarde Euro verbuchte.

Kuriositätenkabinett staatlichen Engagements

Das frühere Karl-Bräuer-Institut hat ein ganzes Kuriositätenkabinett zusammengetragen: So verzeichnete der Freizeitpark der Stadtwerke München mit 18 Hallen- und Freibädern, zehn Saunalandschaften, einem Eisstadion und zwei Fitneßcentern von 2010 bis 2013 Verluste im zweistelligen Millionenbereich. Die überschuldete Stadt Duisburg wiederum betreibt über die filmforum GmbH ein kommunales Kino – mit satten Verlusten von 262.500 Euro pro Jahr. Bis zum Haushaltssicherungskonzept 2010 waren es noch 302.500 Euro jährlich. Unterdessen macht die Stadt Dillingen im Landkreis Saarlouis bei gut 20.000 Einwohnern vorhandenen privaten Anbietern mit einer Schülerhilfe Konkurrenz, während das hochverschuldete Bielefeld einen Heimat-Tierpark unterhält, der – deutschlandweit einmalig – keinen Eintritt erhebt.

In Völklingen steht eine kommunale Meeresfischzuchtanlage, die „seit dem Projektbeginn nur Verluste erwirtschaftet“ hat. 2007 noch 12.731 Euro, vier Jahre später immerhin 541.822 Euro. Noch weniger erfolgreich läuft das Reisebüro, das Regensburg über die Regensburg Tourismus GmbH unterhält und ein Defizit von 1,3 Millionen Euro aufweist. In Potsdam macht die „Biosphäre“ den Stadtvätern zu schaffen. In der von der städtischen ProPotsdam GmbH betriebenen Tropenhalle „verschlang“ die exotische Flora und Fauna in den Jahren 2007 bis 2011 1,68 bis 2,73 Millionen Euro aus dem Stadtsäckel.

Ähnlich die Lage in Stuttgart, wo ein städtisches Weingut und ein Weinkeller 2012 mit 541.452 Euro zu Buche schlug. Neben dem defizitären Schlachthof der Stadt Laufen verweist die Studie auch auf die Ruhrpott-Metropole Essen, die mit dem erfolgreichen kommunalen Sport- und Eventcateringunternehmen RGE die defizitäre Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft päppelt. Bei einem Jahresfehlbetrag von 5,98 Millionen Euro 2012 liegt „die Vermutung nahe, daß die Gewinne der RGE zur Quersubventionierung eines unrentablen städtischen Unternehmens verwendet werden“.

Steuerzahlerinstitut und Monopolkommission verlangen, daß Kommunen nur wirtschaftlich tätig werden, wenn sie besser oder kostengünstiger sind. Sie sollten sich von Geschäftsfeldern trennen, die nichts mit staatlichen Aufgaben zu tun haben, fordert Steuerzahlerpräsident Reiner Holznagel.

www.steuerzahlerinstitut.de

Foto: Millionen in den märkischen Sand gesetzt: Potsdams Stadtväter denken über die Schließung der defizitären „Biosphäre“ nach

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