© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/14 / 18. Juli 2014

Die Verschwörung
Stauffenberg und mehr: Eine Ausstellung in Dresden porträtiert 14 Widerstandskämpfer des 20. Juli
Paul Leonhard

Wie in einem Schatzkästlein liegen hastig hingekritzelte Zeilen aufbewahrt. Ein Abschiedsbrief mit einem großen Blutfleck. Wessel Baron Freytag von Loringhoven schrieb sie an seine Frau, unmittelbar bevor er sich am 26. Juli 1944 erschoß: „Ich sterbe als der ich mein ganzes Leben war.“

Oberst Loringhoven, ein Freund Stauffenbergs, gehörte zu den Mitverschwörern des 20. Juli 1944. Diesen ist eine Sonderausstellung des Militärhistorischen Museums (MHM) der Bundeswehr in Dresden gewidmet, die bis zum 4. November zu sehen ist. Unter dem Titel „Attentat auf Hitler. Stauffenberg und mehr“ wird 70 Jahre nach dem versuchten Staatsstreich an dessen Vorgeschichte und die beteiligten Frauen und Männer erinnert. Mehr als 200 Personen wurden nach dem Scheitern des Attentats ermordet, weil sie in dessen Vorbereitung oder Durchführung involviert waren oder sich für den Wiederaufbau eines neuen Rechtsstaates zur Verfügung gestellt hatten.

Die von der Historikerin am MHM Linda von Keyserlingk kuratierte Schau ist als Wanderausstellung konzipiert, entsprechend komprimiert wird das Geschehen betrachtet, bietet aber gerade deswegen allen, die kaum Vorkenntnisse mitbringen, einen umfassenden Überblick. Auf 20 Schautafeln werden 14 Personen porträtiert, die je nach ihrem Handlungsspielraum und Charakter unterschiedliche Aufgaben innerhalb der Verschwörung ausübten. Während manche Truppen bereitstellen konnten, schrieben andere die Umsturzpläne, beschafften Sprengstoff, suchten Verbündete im Ausland, vermittelten zwischen den Akteuren oder entwickelten Aufbaupläne für ein Nachkriegsdeutschland.

Goerdeler sollte Reichskanzler werden

Unterschieden wird zwischen dem frühen Widerstand der Jahre 1938/39, zu dem Generaloberst Ludwig Beck („Das informelle Oberhaupt“), Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben („Der Befehlshaber“), der frühere Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler („Der Motor des Widerstandes“), Helmuth James Graf von Moltke („Der Denker), Adam von Trott zu Solz („Der Diplomat“) oder Generalmajor Hans-Paul Oster („Der Koordinator“) zählen. Als Oster im Oktober 1943 seines Amtes in der Zentralabteilung des Amtes Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht enthoben und unter Hausarrest gestellt wird, notiert Mitverschwörer Fabian von Schlabrendorff: „Damit haben wir unseren bisherigen Geschäftsführer verloren.“

Sollte Goerdeler nach dem Umsturz Reichskanzler werden, so war der Sozialdemokrat Wilhelm Leuschner („Der Volksvertreter“) für das Amt des Vizekanzlers oder Staatspräsidenten vorgesehen. „Sie waren bei den Massen noch bekannt. Leuschner bedeutete ihnen die Gewerkschaft, Mierendorff bedeutete die Arbeiterschaft“, schrieb ein Mitverschwörer nach 1945.

Der späten Phase des Widerstandes werden neben Claus Graf Schenk von Stauffenberg („Der Entschlossene“) der ehemalige Breslauer Regierungspräsident Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg („Der Vermittler“), der Textilunternehmer Walter Cramer („Der Helfer“), der Generalquartiermeister des Heeres, General der Artillerie Eduard Wagner („Der Verstrickte“) und Generalmajor Henning von Tresckow („Der Kopf des Widerstandes“) zugerechnet. Tresckow schrieb ab 1943 gemeinsam mit Stauffenberg den für den Fall innerer Unruhen bestehenden Walküre-Befehl für den Staatsstreich um. Stellvertretend für junge Frontoffiziere, die bereit waren, Hitler zu töten, steht Axel Freiherr von dem Bussche-Streithorst, der im November 1943 bei einer Uniformvorführung das Attentat mit Sprengstoff durchführen wollte.

Widerstandskämpfer galten als Verräter

Zum Dilemma der Verschwörer gehörte, daß in das Attentat Eingeweihte wie Generalleutnant Adolf Heusinger oder Oberst i.G. Johann Adolf Graf von Kielmansegg zwar Zugang zu Hitler hatten, aber zum Attentat nicht bereit waren. Auch Moltke lehnte die Ermordung Hitlers aus moralischen Gründen ab. Ganz anders dagegen die Einschätzung von Margarethe von Oven („Die Unterstützerin“), die als Tresckows Sekretärin wichtige Befehle auf ihrer Maschine tippte: „Entweder mußte man den Mord auf sich nehmen, oder man mußte das Unrecht auf sich nehmen, also einen Mittelweg gab es nicht.“

Der konkrete Ablauf der Ereignisse des 20. Juli ist auf einer Schautafel im Telegrammstil zusammengefaßt, die mit dem Abflug Stauffenbergs nach Rastenburg um sieben Uhr beginnt und am 21. Juli, kurz vor ein Uhr, mit der Rundfunkansprache Hitlers endet. Die beiden folgenden Tafeln beschäftigen sich mit der Verfolgung der Widerständler durch eine Sonderkommission des Reichssicherheitshauptamtes und der Rezeption des Attentats im Nachkriegsdeutschland. Bis 1953 galten die Widerstandskämpfer als Verräter. Gröbste Not konnte erst das „Hilfswerk 20. Juli 1944“ lindern.

Für die – zumindest offizielle – Personalpolitik der Bundeswehr spielte von Beginn an der 20. Juli eine wichtige Rolle. Nur wer „die Gewissensentscheidung der Männer um Stauffenberg anerkannte“, sollte in ihr dienen dürfen. „Sie sind die vornehmsten Zeugen gegen die Kollektivschuld des deutschen Volkes. Ihr Geist und ihre Haltung sind uns Vorbild“, schrieb Generalinspekteur Adolf Heusinger am 20. Juli 1959, der 14 Jahre zuvor an der Seite Hitlers das Attentat Stauffenbergs knapp überlebte und von seinem Führer persönlich mit dem Verwundetenabzeichen „20. Juli 1944“ in Schwarz ausgezeichnet worden war.

Die Ausstellung wird durch vier Vitrinen mit persönlichen Gegenständen aus den Nachlässen von Widerständskämpfern bereichert. Dazu gehören Briefe von Ludwig Beck, aber auch eine Pistole, die Philipp Freiherr von Boeselager bei einem Gruppenattentat am 13. März 1943 einsetzen wollte. In letzter Minute wurde dessen Durchführung von Generalfeldmarschall Günther von Kluge untersagt, weil SS-Reichsführer Heinrich Himmler, der zusammen mit Hitler getötet werden sollte, zur Lagebesprechung nicht erschienen war. Zu sehen ist auch ein chemischer 30-Minuten-Zünder mit rotem Sicherungsstift, wie ihn Stauffenberg am 20. Juli 1944 verwendete.

Schließlich zeigen die Ausstellungsmacher acht Radierungen des österreichischen Bildhauers und Malers Alfred Hrdlicka (1928–2009) aus seinem Zyklus „Wie ein Totentanz“ von 1974 sowie den 2004 entstandenen Siebdruck „Heldenporträt. Claus Schenk Graf von Stauffenberg“ des Dresdner Künstlers Petrus Wandrey (1939–2012). Insgesamt vermittelt die Schau einen Eindruck von der Vielfalt und Komplexität eines Umsturzversuchs, der jahrelang vorbereitet worden war und auf dramatische Weise scheiterte.

Die 20 Ausstellungstafeln können auch als Wanderausstellung angefragt werden: mhmeingang@bundeswehr.org

Die Ausstellung „Attentat auf Hitler. Stauffenberg und mehr“ ist bis zum 4. November im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr, Olbrichtplatz 2, täglich außer mittwochs von 10 bis 18 Uhr, montags bis 21 Uhr, zu sehen. Telefon: 0351 / 823 -28 03 Das Begleitbuch (Sandstein-Verlag, broschiert, 192 Seiten, 160 teils farbige Abbildungen) kostet 18 Euro. www.mhmbw.de

Fotos: Blick in die Kabinettausstellung mit ihren Schautafeln und Vitrinen: In der Mitte hängt der 2004 ent-standene Siebdruck „Heldenporträt. Claus Schenk Graf von Stauffenberg“ des Dresdner Künstlers Petrus Wandrey (1939–2012). Er zeigt den Hitler-Attentäter in SA-Uniform mit Engelsflügeln.; Pistole Walther PK Kal. 7,65 mm Browning von Philipp Freiherr von Boeselager: Mit dieser Waffe sollte Hitler am 13. April 1943 in einem Offizierskasino der Heeresgruppe Mitte erschossen werden

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