© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/14 / 18. Juli 2014

Schröder unterliegt „Bild“
Nach Google-Urteil: Wieder stärkt ein europäisches Gericht den Zeitungsverlagen den Rücken – diesmal gegen die Politik
Ronald Gläser

Was dürfen Journalisten über Politiker schreiben? Müssen sie die Aussagen von Interviewpartnern zensieren, selbst wenn diese in Frageform verpackt sind? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg steht in diesen Fragen auf der Seite der Pressefreiheit.

Der Fall 48311/10 ist ein Rechtsstreit, der deutscher kaum sein könnte: Bild gegen den deutschen Staat – wegen eines Berichts über Gerhard Schröder. Mit dem (erst im Oktober rechtskräftigen) Urteil vom 10. Juli wurde Deutschland verpflichtet, 41.000 Euro Wiedergutmachung an die Axel Springer AG zu zahlen.

Der Grund; Deutsche Gerichte hatten Bild einen kritischen Bericht über Gerhard Schröders Kontakte zu Gazprom untersagt. Nach Schröders Wechsel ins Gasgeschäft unmittelbar nach seiner Abwahl hatte Bild den FDP-Politiker Carl- Ludwig Thiele interviewt. Der stellvertretende Vorsitzende der liberalen Bundestagsfraktion hatte gefragt, ob der Altkanzler „persönliche Motive“ gehabt habe, „als er in politisch aussichtsloser Lage Neuwahlen herbeiführte“. Die Stoßrichtung der Berichterstattung war klar: Schröder wurde indirekt Habgier unterstellt.

Das ist zulässig, befanden die Richter. Es ist geradezu die Aufgabe der Medien, sich kritisch mit den Mächtigen auseinanderzusetzen. So sahen das auch die Richter, die feststellten, daß einige „Fakten diese Verdächtigungen rechtfertigten“.

Ferner stellten sie fest, daß es nicht die Aufgabe der Bild sei, entlastende Informationen zu verbreiten. Ein Spitzenpolitiker wie Schröder habe die „Pflicht, mehr Toleranz zu zeigen als Normalbürger“.

Das Urteil ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Erstens zeigt es, wie tief der Graben zwischen Springer und Schröder, der Deutschland ja einmal „mit Bild, Bams und Glotze“ regieren wollte, geworden ist. Zum anderen wurde die in Frageform gefaßte Behauptung entlastet. Auch sie ist zulässig. Es muß möglich sein, Fragen zu stellen, auch wenn sie abwegig klingen. Gerade erst hatte der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) versucht, den Finanzsenator der Stadt, Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD), wegen einer Frage auf einer Pressekonferenz abzumahnen. Nußbaum hatte Bedenken geäußert, daß Heilmann in einer bestimmten Angelenheit befangen sei. Sofort ließ Heilmann Nußbaum deswegen abmahnen. Die Aktion wurde jedoch zu einem Rohrkrepierer, weil nun erst recht über den Vorwurf gesprochen wurde. Am Ende zog Heilmann seinen Antrag zurück.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen