© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Bei den Briten steht Deutschland hoch im Kurs
Liebesgrüße aus London
Michael Paulwitz

Was ist los mit den Briten? Durch ihre Medien geht gerade eine Welle der Deutschlandbegeisterung. Wo sonst „Achtung!“, „Panzer“ und „Blitzkrieg“ nicht weit waren, wenn von Deutschland und den Deutschen die Rede war, singen selbst Boulevardblätter auf einmal das Loblied der deutschen Tugenden. Wenn sogar beim Thema Fußball das Arsenal der Weltkriegsmetaphern im Spind bleibt, meinen es die Vettern von der Insel wohl wirklich ernst.

Der WM-Erfolg war dafür ein Auslöser: Das Bild von Fairneß, Können, Disziplin und Siegeswillen, das unsere Jungs in Brasilien abgeliefert haben, hat Eindruck gemacht. Aber beim Fußball bleibt die neue angelsächsische Germanophilie nicht stehen. Artikel um Artikel erzählt dem Publikum im Vereinigten Königreich, wie „cool“ es ist, „German“ zu sein, und was an den Deutschen so staunenswert sei: die Wirtschaftskraft, die weltweit gefragten Industrieprodukte, die erfolgreichsten Niedrigpreisläden Europas, die besten Autos – und, ja, auch die besten Soldaten der Welt, wie das Boulevardblatt Daily Mail den Weltkriegsfeldmarschall Sir Harold Alexander zitiert. Den Nationalsozialismus und seine Verbrechen nie zu vergessen sei das eine, aber deswegen könne man doch trotzdem die Leistungen deutscher Soldaten auf dem Schlachtfeld bewundern.

Sollten wir bei solch geballten Sympathiebekundungen uns nicht endlich einen Ruck geben und uns selbst, unserer Geschichte und Identität gegenüber so fair und wohlwollend eingestellt sein, wie es andere längst sind? Der Respekt, der aus den hier zitierten Äußerungen spricht, kommt nicht von ungefähr. Der in Cambridge lehrende Historiker Christopher Clark hat im vergangenen Jahr endgültig mit den verstaubten Alleinkriegsschuldmythen zum Ersten Weltkrieg aufgeräumt (JF 2/14). Ein anderer Engländer, der Kulturhistoriker Peter Watson, hat 2010 den Leistungen des „German Genius“ seit 1750 auf tausend Seiten ein Denkmal gesetzt (JF 23/11). Schriftsteller Adam Fletcher engagiert sich begeistert für den Schutz der deutschen Sprache. Und Londons Bürgermeister Boris Johnson sah schon vor Jahresfrist in seiner Liebeserklärung an Berlin die Ängste und das Mißtrauen der Generation seiner Großväter, die noch gegen die Deutschen gekämpft hatten und die Wiedervereinigung am liebsten verhindert hätten, als endgültig widerlegt an.

Die „Neuerfindung der deutschen Nation“ habe mit der Fußball-WM 2006 begonnen, meint der Daily Mirror. Hunderttausende seien nach Deutschland gekommen und hätten „ein großes Land in bester Stimmung“ erlebt. Unbefangen in Schwarzrotgold sind wir den anderen Europäern eben weniger unheimlich als in grauer Schuldstolz-Asche. Kopf hoch also, mehr Selbstbewußtsein und das eigene Land und Volk ruhig auch mal positiv sehen. So geh’n die Deutschen …

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