© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Die B-Seite des Daseins
Michel Houellebecqs neuer Gedichtband
Thorsten Thaler

Beurteile ein Buch nicht nach seinem Einband. Wenn es von dieser Binsenweisheit eine Ausnahme gibt, dann im Falle des neuen Gedichtbandes von Michel Houellebecq. Die Gestaltung ist so edel, daß es fahrlässig wäre, davon nicht zu sprechen. Der Vorderschnitt des Buches erscheint metallic-blau, ist aber Teil einer innenliegenden Klappe, die den gesamten Buchblock umfaßt. Die ebenfalls metall-blaue Schrift auf schwarzem Grund rundet den gediegenen Eindruck ab. Es ist ein Buch, das man schon aufgrund seiner äußeren Beschaffenheit gern zur Hand nimmt.

Seine Lyrik umweht eine große Melancholie

Wer mit früheren Gedichtbänden Houellebecqs vertraut ist, wird von den Grundakkorden auch seiner neuen Verse nicht überrascht sein. Die aus dem Französischen von Stephan Kleiner und Hinrich Schmidt-Henkel übertragenen Gedichte handeln von Einsamkeit, Schmerz, Weltekel, Sexsucht, Liebessehnsucht, Todesgleichgültigkeit. Houellebecqs Lyrik umweht eine große Melancholie, zuweilen kommt sie radikal-düster und depressiv daher. „Die Kindheit ist vorbei, die Spiele sind gemacht; / Vor lauter Gewohnheit und Verzicht / Haben wir die Schreie der Leidenschaft erstickt; / Wir bewegen uns aufs Endspiel zu.“

In einem anderen Gedicht heißt es: „Das ist die B-Seite des Daseins, / Ohne Genuß und ohne wirkliches Leiden / Außer dem, das durch Abnutzung entsteht, / Alles Leben ist eine Grabstätte // Alle Zukunft ist nekrologisch / Nur noch die Vergangenheit verletzt, / Die Zeit des Traumes und des Rausches, / Am Leben ist nichts Rätselhaftes mehr.“

Glücksmomente sind bei dem 56jährigen Houellebecq, der mit seinen später auch verfilmten Romanen „Ausweitung der Kampfzone“ und „Elementarteilchen“ in den neunziger Jahren internationale Berühmtheit erlangte, meist vergangene, flüchtige Zustände. „Nach einigen Monaten / (Oder einigen Wochen) / Bist du meiner müde, / Du, die ich zur Königin gemacht habe. // Mir als schwergeprüftem Sterblichen / War das Risiko bekannt; / Die Sonne, rund wie ein Diskus / Strahlt über meinem verreckten Leben.“

Michel Houellebecq: Gestalt des letzten Ufers. Gedichte. DuMont, Köln 2014, gebunden, 174 Seiten, 18 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen