© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der Strippenzieher
Paul Rosen

Politiker steigen und fallen mit ihren Pressesprechern. Das bekannteste Beispiel einer journalistisch-politischen Symbiose waren Altbundespräsident Christian Wulff und sein Sprecher Olaf Glaeseker, ein ehemaliger Bonner Zeitungskorrespondent. Ein weniger bekanntes, aber gut eingespieltes Team waren die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) und ihr Sprecher Holger Eichele. Eichele, einst Korrespondent des Münchner Merkur in Berlin, muß das Zeitungssterben geahnt haben und wechselte früh die Seiten: 2009 wurde er Pressesprecher von Aigner, der man viel zugetraut hatte, aber kaum das Erkämpfen der Lufthoheit bei Kreisbauerntagen in (damals noch) verqualmten Festzelten.

In diese Schlachten wollte Eichele nie ziehen. Er positionierte seine Ministerin vielmehr weg von Gülle, Ferkelzucht, BSE und Schweinepest zu den „sanften“ Verbraucherthemen, die Medien lieben. Aigner ließ sich nur zu gerne in Stellung gegen Internet-Giganten wie Google bringen. Das hatte was von David gegen Goliath, wenn die deutsche Verbraucherschutzministerin es dem amerikanischen Datenkraken so richtig zeigte, auch wenn man bei Google davon vermutlich nichts mitbekam. Wurden irgendwo zuviel Zinsen kassiert oder Kunden getäuscht, schon meldete sich die agile Verbraucherschutzministerin Aigner, die damit auch der CSU ein weltoffeneres Gesicht gab und den immer noch vorhandenen Eindruck der Hinterwäldler- und Schuhplattlerpartei etwas zu reduzieren vermochte. Als Aigner ihren Wechsel nach München ankündigte, wurden Wetten geschlossen, daß sie bald die Nachfolge des Hallodrimeisters Horst Seehofer als bayerischer Ministerpräsident antreten.

Symbiont Eichele jedoch ging nicht mit nach Bayern, auch wenn der 43jährige sogar ein „Münchner Kindl“ ist. Er blieb im, wie die Bayern sagen, „preißischen“ Berlin und trat in die Dienste des Deutschen Brauer-Bundes. Damit haben sich die Brauer einen Hauptgeschäftsführer geholt, der beste Beziehungen in das für sie wichtigste Ministerium hat. Was für lobbykritische Organisationen ein Geschmäckle hat, dürfte die Bierbrauer freuen. Denn vieles könnte sich jetzt auf dem kleinen Dienstweg regeln lassen.

Eichele schaffte es, die Brauer in günstiges Licht zu rücken. Da in Deutschland große Mehrheiten gegen die Gasförderung aus Schiefergestein (Fracking) sind, waren plötzlich auch die Brauer dagegen. Eichele bekam die Brauer, deren Erzeugnisse aus gesundheitlichen Gründen nicht unumstritten sind, sogar in ein „Bündnis zum Schutz von Wasser“ mit den Kurbädern: „Fracking im Einzugsgebiet von Mineral- und Heilquellen, von Brunnen für Brauereien und für die Herstellung von Erfrischungsgetränken ... muß generell untersagt werden“, heißt in einem Appell der Brauer.

Von Aigner spricht man hingegen nur noch selten. Ihr Stern sinkt, ohne daß ihr großer Kontrahent Markus Söder nachgeholfen hätte. Und in Berlin fragen sich unterdessen viele, wie eigentlich der aktuelle Landwirtschaftsminister heißt. Er soll auch von der CSU sein.

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