© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

Echte Liebe
Eigensinnig und unabhängig: Zwischen Literaten und Katzen besteht eine besondere Affinität
Alain de Benoist

Die Frage, warum ich Katzen liebe, läßt sich nur subjektiv und daher willkürlich beantworten. Eine alte Volksweisheit besagt, der Hund sei des Menschen bester Freund, und dem kann ich schwerlich widersprechen, zumal meine Tierliebe auch Hunde und darüber hinaus alle anderen Arten umfaßt! Für Katzen aber empfinde ich mehr als nur Zuneigung, sondern echte Liebe. Rational begründen kann ich sie schon deshalb nicht, weil die Liebe ihre eigenen Gründe hat, die sich dem rationalen Denken entziehen. Die Liebe zu Katzen kann man erfahren, aber nicht erklären.

Es gibt Menschen, denen diese Liebe fremd ist. Es gibt sogar welche, die Katzen hassen. Solchen Menschen habe ich stets mißtraut: Wenn jemand Katzen nicht liebt, ist das in meinen Augen ein sehr schlechtes Zeichen. Überdies haben zahlreiche Werke eine enge Verbindung zwischen einer Vorliebe für Katzen und einem „Katzen-Temperament“ nachgewiesen. Umgekehrt gilt das gleiche auch für Hundeliebhaber.

Einem Menschen zu begegnen, der Katzen nicht mag, bedeutet, sofort zu wissen, daß man sich mit diesem Menschen nicht verstehen wird. Freilich ist und bleibt es für mich unerklärlich, wie jemand Katzen nicht lieben kann. „Das Leben ohne Musik ist ein Irrtum“, sagte Nietzsche. Ein Leben ohne Katzen ebenso. Und wer Katzen etwas Böses tut, verdient meiner Meinung nach eine lebenslange Gefängnisstrafe (wo er natürlich von Hunden bewacht würde)!

Im schlimmsten Fall werden ideologische oder metaphysische Überlegungen herangezogen, um Katzenhaß zu rechtfertigen. In der christlichen Tradition galten Katzen – Franz von Assisi zum Trotz – lange Zeit als „diabolisch“, daher auch ihr Ruf als Lieblingstier der Hexen. Jeder echte Katzenfreund sollte Papst Gregor IX. ewige Abscheu schwören, erklärte er doch 1233 in der Bulle „Vox in Rama“, Besitzer von schwarzen Katzen verdienten den Tod auf dem Scheiterhaufen. 250 Jahre später bezeichnete Papst Innozenz VIII. die Katze als „heidnisches Tier, das mit dem Teufel im Bunde steht“; kraft seiner Hexenbulle von 1484 wurden sie ebenso wie Menschen gefoltert und verbrannt.

Tatsächlich scheiden sich an Katzen die religiösen Geister: Der Islam mochte phasenweise weder Katzen noch Hunde, jedoch existiert auch eine Überlieferung, der zufolge Mohammed eines Tages seine Katze Mu’izza schlafend auf einem Ärmel seines Gewands vorfand; anstatt sie zu wecken, trennte er kurzerhand den Ärmel ab und ließ sie weiterschlafen. Die alten Ägypter verehrten eine Katzengöttin namens Bastet, die möglicherweise ursprünglich eine Löwin war.

Hier in Europa wiederum zogen die Kelten anscheinend Hunde vor (der Name des keltischen Helden Cúchullain bedeutet „Hund von Culann“, während der Usurpator Cairpre, der Irland in den Ruin stürzte, auch Cenn Chaitt, „Katzenkopf“, hieß). Dafür gibt es in der germanischen Überlieferung die Göttin Freya, deren Streitwagen von zwei Katzen namens Bygull und Tregull gezogen wurde. Freya, die schöne Göttin der Liebe, des Glücks und der Fruchtbarkeit sowie Anführerin der Walküren, galt als beliebteste und meistverehrte unter den nordischen Gottheiten, bevor das Christentum ihr dämonische Kräfte zuschrieb.

Bei dem Historiker Hippolyte Taine heißt es: „Ich habe die Philosophen und die Katzen studiert, doch die Weisheit der Katzen ist letztlich um ein weites größer.“ Indes definierte der Schriftsteller Théophile Gautier die Katze als „philosophisches Tier“. Spielstand: unentschieden.

Sicher ist hingegen, daß zwischen den Literaten und den Katzen eine besondere Affinität besteht. „Wer Schriftsteller werden will, sollte Katzen haben“, empfahl Aldous Huxley. Michel Tournier preist ihre Fähigkeit, „zwischen Büchern und Tintenfässern umherzulaufen, ohne Unordnung zu schaffen“, die die Katze zum „idealen Gefährten für einen Schriftsteller macht“. „Schriftsteller lieben Katzen“, so Robertson Davies, „weil sie friedlich, liebevoll und weise sind. Und Katzen mögen Schriftsteller aus den gleichen Gründen.“

Von Montaigne und Joachim du Bellay bis hin zu Julien Green und Jacques Laurent, von La Fontaines und Perraults Tierfabeln über Châteaubriand, Théophile Gautier, Barbey d’Aurevilly, Charles Baudelaire, George Sand, Victor Hugo, Emile Zola, Anatole France, Jules Verne, Colette, Jean Cocteau, Jean Giono, Pierre Drieu La Rochelle, Albert Camus, Paul Morand, Boris Vian bis zu William Faulkner, Ernest Hemingway, René Char läßt sich die Aufzählung derjenigen Schriftsteller endlos weiterführen, die den Katzen nicht nur einen regelrechten Kult geweiht, sondern diese auch in ihrem Werk zelebriert haben.

Guy de Maupassant gründete seinerzeit sogar gemeinsam mit Alexandre Dumas eine Liga zum Schutz der Katzen. In dem Telegramm, mit dem Henry de Montherlant seinem Schriftstellerkollegen Roger Peyrefitte, dessen Mutter gerade verstorben war, sein Beileid aussprach, hieß es: „Seien Sie tapfer. Heiraten Sie nicht. Treten Sie nicht in einen Orden ein. Legen Sie sich eine Katze zu!“ Anläßlich der Überführung der Asche von André Malraux wurde im Pantheon entsprechend seinem Wunsch eine Statue der Katzengöttin Bastet aufgestellt. Was wäre Louis-Ferdinand Céline ohne seine berühmte Katze Bébert? Oder Paul Léautaud, der sich niemals von seinen dreißig Katzen trennte!

Eine mögliche Erklärung für diese Katzenliebe wäre, daß die Seelen vieler Schriftsteller eine starke feminine Komponente haben. Katzen wird seit jeher nachgesagt, daß sie feminine Eigenschaften versinnbildlichen: Feingefühl, Behutsamkeit und die Fähigkeit zur Verführung.

Und, nicht zu vergessen: Katzenliebe überwindet politische Differenzen: Rechte und Linke spalten sich gleichermaßen in Katzenfreunde und Katzenhasser. Allenfalls könnte man sagen, daß Angehörige des „rechten Lagers“ sich in der Regel lieber Hunde halten als treue und gehorsame Diener, Katzen sich hingegen aufgrund ihrer Eigensinnigkeit und Unabhängigkeit zwar zähmen, aber nicht dressieren lassen.

Foto: Auf Samtpfoten: „Heiraten Sie nicht. Treten Sie nicht in einen Orden ein. Legen Sie sich eine Katze zu!“ (Henry de Montherlant)

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