© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

DVD: Vampirfilm
Entrücktheit und Erotik
Werner Olles

Seit Bela Lugosis Klassiker „Dracula“ (1930) ist es nicht mehr die alptraumhafte Erscheinung des Vampirs, sondern seine Existenz, die uns erschauern läßt, und die Totalität seiner nichtmenschlichen Begierden: Der Blutdurst des Vampirs kann niemals gestillt werden. Doch erst seit modernen Vampirfilmen wie „Near Dark“ (1987), „Byzantium“ (2012) oder aktuell Xan Cassavetes „Kiss of the Damned“ (2013) beschleicht uns die Furcht, daß es nicht nur so etwas wie Vampire gibt, sondern daß der Vampirismus selbst die Grundlage unseres Lebens sein könnte. Vielleicht sollte dies als Hinweis darauf verstanden werden, wie sehr sich die Struktur der Mythen in der Unterhaltungsindustrie mit der Struktur der sozialen Beziehungen unseres Lebensraums deckt.

Der Vampir-Mythos gehört zu den grundlegendsten Themen des Horror-Genres, weil er sich am eindeutigsten auf erotische Komponenten zurückführen läßt. Xan Cassavetes, Tochter des verstorbenen Schauspielers und Regisseurs John Cassavetes und der Schauspielerin Gena Rowlands, legt in ihrem ersten großen Spielfilm „Kiss of the Damned“ zwar mehr Wert auf die Plastizität der Bilder und die „Schönheit“ seiner Darsteller als auf die Geschlossenheit der Handlung. Doch die Entrücktheit und der erotische Reiz, den der Film ausstrahlt, öffnen dem Genre neue Möglichkeiten. Das reicht bis hinein in die visuellen Effekte, etwa wenn die Farbigkeit des Films sich langsam auflöst, bis nur noch das Blut in leuchtendem Rot zu sehen ist.

Josephine de La Baumes Darstellung der Vampirin Djuna, die sich in den Drehbuchautor Paolo (Milo Ventimiglia) verliebt und ihn eigentlich gegen ihren Willen durch einen Biß in einen Untoten verwandelt, um für immer mit ihm zusammen zu sein, erinnert an den Mythos vom „gefallenen Engel“. Erst ihre Vampirschwester Mimi (Roxane Mesquida), die sich anders als Djuna und der Rest der städtischen Vampirgemeinschaft nicht von künstlichem Blut oder Plasma ernährt, sondern aus Lust Menschen tötet und verwandelt, bedroht die Liebe von Djuna und Paolo und bringt auch die „vegetarischen“ Vampire in Gefahr …

Xan Cassavetes ist es mit „Kiss of the Damned“ grandios gelungen, die provokante Verbindung von Phantastik und Sexualität ins Genre des Horrorfilms zu integrieren.

DVD/Blu-ray: Kiss of the Damned. Alive/ Capelight 2014, Laufzeit etwa 93 Minuten

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