© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

Blick in die Medien
Hörerbetrug im Rundfunk
Tobias Dahlbrügge

Da staunten die Hörer von Antenne Düsseldorf: Redakteurin Claudia Monréal plaudert in ihrer Sendung scheinbar angeregt mit Schlagersängerin Stefanie Hertel. Doch die Studio-Webcam zeigt: Monréal ist ganz allein im Studio. Das „Gespräch“ wurde aus O-Ton-Schnipseln zusammengeschustert.

Diese Praxis ist im Hörfunk gang und gäbe: Aufgezeichnete Aussagen werden mit nachträglichen Fragen zu „Interviews“ zusammengeschnitten; von Werbeagenturen produzierte Beiträge fließen ohne Hinweis ins redaktionelle Sendeprogramm ein; Reporter melden sich von Orten, die sie nie besucht haben.

Der Reporter, der vorgibt, aus einem Helikopter zu berichten, ist schlicht „Hörerbeschiß“.

„Hörerbetrug“ nennt das Horst Müller, Professor für Redaktionspraxis an der Hochschule Mittweida. Und den begehen nicht nur private Lokalradios, sondern auch öffentlich-rechtliche Anstalten. Davon berichteten auch freie Journalisten aus ganz Deutschland bei der Tagung „Radio Zukunft“ in Tutzing.

Als Reaktion verabschiedete ein Kreis kritischer Hörfunkjournalisten den „Tutzinger Appell“ für journalistische Ethik im Rundfunk und gründete eine Internet-Initiative zur Stärkung der Glaubwürdigkeit: fair-radio.net.

Ihre Forderungen an alle Hörfunkmitarbeiter: Was nicht wirklich live ist, soll auch nicht als live verkauft werden. PR-Beiträge gehören in den Werbeblock und nicht ins redaktionelle Programm. Mogeleien bei Gewinnspielen sind tabu. Der Reporter, der vorgibt, aus einem Helikopter der Verkehrswacht zu berichten, aber tatsächlich im Studio sitzt, ist für die Fair-Radio-Aktivisten kein „gut gemachter Fake“, sondern schlicht „Hörerbeschiß“. Auf ihrer Internetseite geben sie Kollegen Tips, wie diese sich gegen unethische Arbeitsanweisungen wehren können, etwa wenn verlangt wird, am Rande eines Prozesses verstörte Angehörige eines Gewaltopfers mit dem Drängen nach O-Tönen zu behelligen.

Es wird Zeit, daß es so eine Initiative auch für Fernsehjournalisten gibt.

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