© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

Aufkaufen oder Auflage drosseln
Venezuela: Auch nach Chavez setzt die linke Regierung ihre harte Linie gegen kritische Medien fort
Michael Ludwig

Die Nachrichten aus Venezuela waren, als der Comandante Supremo Hugo Chavez noch lebte und das Land regierte, oft bizarr genug, doch sein Nachfolger Nicolas Maduro ist auf dem besten Weg, ihn diesbezüglich zu übertreffen. Dieser Tage wurden in der Hauptstadt Caracas Journalistenpreise verliehen. Als bester Journalist des Jahres wurde der amtierende Innenminister, General Miguel Rodriguez, ausgezeichnet – ausgerechnet der Mann, der dafür verantwortlich ist, daß die seit Monaten anhaltenden Proteste gegen die linksgerichtete Regierung mit eiserner Faust niedergeschlagen werden. Als Begründung für die Auszeichnung erklärte die Jury, daß der General „rechtzeitig und wahrheitsgemäß über die gewaltsamen Vorfälle informiert hat“.

Nach Angaben der spanischen Tageszeitung El Mundo hält sich der General stets an drei Vorgaben, wenn es darum geht, bei der Wahrheit zu bleiben, und das sind seinen eigenen Angaben zufolge „die Zehn Gebote, die Worte meiner Mama und der Kodex der Militärkadetten“.

Bei großen Teilen der Bevölkerung löste die Nachricht eine Gefühlsreaktion aus, die von ungläubigem Kopfschütteln bis zu blankem Entsetzen reichte. „Wir fühlen uns regelrecht verarscht“, schimpfte Alejandro, ein 22jähriger Student, der zu den erklärten Gegnern des herrschenden Regimes zählt. „Wir gehen auf die Straße, um gegen die galoppierende Inflation und die immer schlechter werdenden Lebensbedingungen zu demonstrieren, und werden von der Polizei gnadenlos niedergeknüppelt. In den Nachrichten wird uns dann die ganze Schuld zugeschoben. Daß man dafür auch noch einen Journalistenpreis erhält, ist blanke Ironie und eine unglaubliche Farce.“

Da die Regierungspartei, was die eigenen Reihen betrifft, offensichtlich in Geberlaune war, zeichnete sie auch gleich Regierungschef Nicolas Maduro höchstpersönlich aus. Er erhielt als Cominicador Alternativo den Municipal-Fabricio-Ojeda-Preis „für seine hervorragenden Beiträge auf Twitter“. In seiner Dankesrede betonte Maduro: „Wenn wir eine tiefgreifend demokratische und friedliche Gesellschaft wollen, die weder von Gruppen noch von transnationalen Interessen abhängig ist, lade ich euch alle dazu ein, daran mitzuarbeiten. Ich rufe zu einem Modell auf, in dem die Wahrheit die tragende Rolle spielt.“

In der venezolanischen Wirklichkeit hingegen droht die Wahrheit unter die Räder zu kommen, denn die, die über sie berichten sollen, sind der Willkür des Regimes ausgesetzt. Wie ein Sprecher der „Nationalen Gewerkschaft für die Mitarbeiter der Presse“ (SNTP) spitz formulierte, sei das einzige, was man im Journalismus hierzulande feiern könne, die Tatsache, „daß man vor den Füßen der Zensur sowie vor den Erpressungen der politischen und wirtschaftlichen Macht ausgehalten hat“.

Der Titel Premio Nacional Simon Bolivar ging an Eleazar Diaz Rangel, Direktor der Ultimas Noticias, eine Tageszeitung, die vor neun Monaten von einem Strohmann der Regierung gekauft wurde. „Das auflagenstärkste Blatt des Landes hat seine Titelseite in eine Vitrine verwandelt, in der die Regierung ihre Taten ausstellt und sich ihrer rühmt“, schreibt El Mundo. Das Rechercheteam, das zu den am meisten respektierten in ganz Venezuela zählte, hat inzwischen die Redaktion verlassen, nachdem seine Arbeiten zensiert worden waren.

Übergriffe von Polizisten bei Demonstrationen

Die Zahlen, die SNTP vorgelegt hat, zeigen, wie schlecht es um die Pressefreiheit in Venezuela bestellt ist. Bei den Demonstrationen in den letzten drei Monaten wurden 231 Übergriffe auf 165 Pressemitarbeiter registriert, 65 Prozent davon wurden von Militärs oder der Polizei begangen, 22 Prozent von Anhängern der Regierung und 13 Prozent von Paramilitärs. Marcos Ruiz, Generalsekretär der SNTP, ergänzte: „Nicht ein einziger Fall, den wir zur Anzeige gebracht haben, wurde von der Staatsanwaltschaft aufgegriffen.“

Seit Maduro im vergangenen Jahr an die Macht gekommen ist, hat er seine Pläne, die Medien unter seine Kontrolle zu bringen, zielstrebig weiterverfolgt. Sein wichtigstes Instrument dabei ist die Papierzuteilung. Regierungskritische Zeitungen erhalten verschwindend geringe Mengen an Druckpapier, so daß einige bereits aufgeben mußten, andere leiden, so El Mundo, „an einer zerstörerischen Magersucht“. „Die einzigen Medien, die keine Papierprobleme haben, sind die, die von der Regierung aufgekauft wurden“, kritisierte der Herausgeber des kritisch eingestellten El Nacional, Miguel Henrique Otero.

Foto: Nicolas Maduro: Der venezolanische Präsident bei seiner Radiosendung „In Kontakt mit Maduro“

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