© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

Globaler Klimaschutz
Erst grün, dann rot
Torsten Mann

Der Atomphysiker Andrej Sacharow hatte zunächst als Konstrukteur der sowjetischen Wasserstoffbombe Karriere gemacht. Dafür wurden ihm der Stalin- und der Leninpreis sowie mehrmals der Titel „Held der sozialistischen Arbeit“ verliehen. Zu internationaler Berühmtheit gelangte er jedoch erst später als sowjetischer Dissident, nachdem er sich seit den 1960er Jahren für Abrüstung, Menschenrechte und Meinungsfreiheit in der UdSSR einsetzte. Nach offizieller Lesart machte ihn das in den Augen des Breschnew-Regimes zum Staatsfeind. Sein Wirken brachte ihm 1975 den Friedensnobelpreis ein, und seit 1988 verleiht das Europäische Parlament sogar den nach ihm benannten EU-Menschenrechtspreis.

Doch das Bild vom verfolgten sowjetischen Dissidenten ist laut Aussage des 1961 übergelaufenen KGB-Majors Anatolij Golitsyn eine vorsätzliche Täuschung. Laut Golitsyn war Sacharow weder ein Gegner des sowjetischen Regimes noch ein Gegner der kommunistischen Ideologie. In Wirklichkeit habe Sacharow die Rolle des Regimegegners in einer vom KGB inszenierten Farce nur gespielt, um im Rahmen einer kommunistischen Langzeitstrategie die Transformation des alten, diskreditierten Stalinismus in der UdSSR hin zu einem neuen attraktiven Reformkommunismus im Weltmaßstab zu unterstützen.

Tatsächlich erklärte Sacharow in seinem 1968 erschienenen Manifest „Wie ich mir die Zukunft vorstelle“, die Zukunft des Sozialismus hänge davon ab, „ob es gelingen wird, ihn anziehend zu machen, ob sich die moralische Anziehungskraft der Idee des Sozialismus und der Arbeitsintensivierung als Gegengewicht gegen das egoistische Prinzip des Privatbesitzes und der Kapitalvergrößerung behaupten kann (...), ob die Menschen im Zusammenhang mit Sozialismus nicht in erster Linie an eine Beschränkung der geistigen Freiheit oder, schlimmer noch, an faschismus­ähnliche Kultregime denken werden.“

Insbesondere der Umwelt- und Klimaschutz sollte im Rahmen dieser Strategie als Argument für die Einführung einer weltweiten sozialistischen Gesellschaftsordnung dienen und ihr ein legitimes Erscheinungsbild verleihen. Sacharow schrieb 1968, also lange bevor dieses Thema im politischen Alltag des Westens auftauchte, „Kohlensäuregas aus Kohlenverbrennung verändert die hitzereflektierenden Eigenschaften der Atmosphäre“, was „früher oder später (...) bedrohliche Ausmaße annehmen“ würde, und diese Gefahr könne ebenso wie die Armut in der Dritten Welt sowie die Bedrohung der Menschheit durch einen Atomkrieg nur durch eine weltweite Zusammenarbeit und schließlich die Errichtung einer sozialistischen Weltregierung abgewendet werden (ebenda).

Auf dem Weg dorthin müsse aber erst die „psychologische Einstellung“ der westlichen Völker so „verändert“ werden, daß sie „freiwillig und uneigennützig, allein für hohe und entfernte Ziele, zur Erhaltung von Zivilisation und Humanität auf unserem Planeten, ihre Regierung und die weltweiten Bestrebungen zur Änderung der Wirtschaftslage, der Technik und des Lebensstandards von Millionen unterstützen“. Und er ergänzte, daß dies „natürlich eine bedeutende Verringerung des Tempos der wirtschaftlichen Entwicklung“ sowie eine „grundlegende Änderung der Besitzverhältnisse mit der Erweiterung des staatlichen und kooperativen Besitzes“ bedeuten würde – also einen niedrigeren Lebensstandard und umfassende Verstaatlichungen. Zudem müsse in den entwickelten Ländern eine Steuer auf das Nationaleinkommen zur Umverteilung in die Dritte Welt eingeführt werden, was gleichzeitig eine bedeutende Reduzierung der Rüstungsausgaben mit sich brächte.

Nach Gorbatschow-Berater Iwan Frolow war es eine der wichtigsten Aufgaben der Perestroika, für die Entwicklung eines neuen Sozialismusbildes den Umweltschutz in globalem Rahmen mit der „sozialen Frage“ auf marxistischer Grundlage zu verbinden.

Diese Art der Umerziehung solle, nach Sacharows Vorstellung, einen allgemeinen gesellschaftlichen Linksrutsch bewirken und einen „Angriff auf die Kräfte des Rassismus und des Militarismus“ (ebenda) einschließen, den man inzwischen unschwer als den berüchtigten „Kampf gegen Rechts“ wiedererkennen kann. Der auf diese Weise geläuterte Westen sollte sich im Rahmen einer „sozialistischen Konvergenz“ dem Osten annähern, welcher wiederum den Stalinismus hinter sich lassen würde, und schließlich käme es zur Etablierung einer globalen sozialistischen Gesellschaft. Ausdrücklich forderte Sacharow in diesem Zusammenhang ein „Gesetz über Geohygiene“, welches „nach gründlicher wissenschaftlicher Beratung“ mit den „Bemühungen der ganzen Welt auf diesem Gebiet“ zusammenfließen müsse (ebenda).

Noch bevor Michail Gorbatschow an die Macht kam und die Perestroika einleitete, kündigte Major Golitsyn den bevorstehenden Liberalisierungsprozeß öffentlich an und er erklärte, daß Sacharow dabei eine tragende Rolle spielen würde. Und wirklich nahm Sacharow in den folgenden Jahren aktiv an der Umgestaltung der Sowjetunion teil und wurde sogar zum Berater mehrerer westlicher Regierungen, die er dazu veranlaßte, Gorbatschows neuen politischen Kurs zu unterstützen.

Dazu gehörte neben der multilateralen Abrüstung ausdrücklich auch die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes, der Menschenrechte und der wirtschaftlichen Entwicklung, die schließlich 1992 zum „Erdgipfel“ von Rio de Janeiro führte. Dort wurden die Vorbereitungen für die Gründung von Gorbatschows Umweltschutzorganisation „Internationales Grünes Kreuz“ getroffen, welche den sogenannten Rio-Prozeß seither begleitet und einen internationalen Wertewandel fördert, um eine „nachhaltige globale Gesellschaft“ aufzubauen.

Schon 1987 hatte Gorbatschow „eine globale Strategie für den Umweltschutz und die rationelle Nutzung der Ressourcen“ gefordert, was seiner Ansicht nach „im Rahmen eines Uno-Spezialprogramms in Angriff“ genommen werden sollte („Meine Vision. Die Perestroika in den neunziger Jahren“). Er forderte darüber hinaus, daß die Staaten zur jährlichen Rechenschaftslegung gegenüber internationalen Organisationen über ihre Arbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes verpflichtet werden sollten. Inzwischen ist dieses Prinzip beim internationalen Klimaschutz längst zum politischen Alltag geworden. Auch die von Sacharow geforderte Steuer auf das Nationaleinkommen zur Umverteilung in die Dritte Welt rückt in Gestalt des internationalen Emissionsrechtehandels bereits in greifbare Nähe.

Bei genauer Betrachtung zeigt sich, daß marxistisch-leninistische Strategeme die Weltpolitik der letzten beiden Jahrzehnte in weitaus stärkerem Maße bestimmen, als man es nach dem vermeintlichen Untergang des Kommunismus erwarten würde. Wie KPdSU-Politbüromitglied und Gorbatschow-Berater Iwan Frolow in einem 1989 erschienenen Aufsatz erklärte, reichen die Ursprünge dieser Strategie sogar bis zum 20. Parteitag der KPdSU im Jahr 1956 zurück, von dem an die „Ökologieproblematik“ in die „klassischen Auffassungen“ des Marxismus integriert wurde („Das Ende des blauen Planeten“). Wie er ausführt, gehörte es zu den wichtigsten Aufgaben der Perestroika, für die Entwicklung eines neuen Sozialismus-bildes den Umweltschutz in globalem Rahmen mit der „sozialen Frage“ zu verbinden, wobei „die marxistisch-leninistische Philosophie (...) traditionell die integrativen Funktionen“ wahrnehme (ebenda). Dabei komme es besonders auf „die Entwicklung einer globalen Abstimmung und Zusammenarbeit bei der Lösung der Ökologieprobleme an“, für welche „die Wissenschaft in der Sowjet­union einiges geleistet“ habe (ebenda).

Schon 1981 hatte Frolow betont, daß „die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit“, unter anderem auf dem Gebiet des Umweltschutzes, das zur damaligen Zeit zentrale Glied einer „Langzeitstrategie“ sei, welche „den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus und Kommunismus im Weltmaßstab“ anstrebt: „Deshalb ist eine zukunftsorientierte Langzeitstrategie zur Lösung der globalen Probleme nichts anderes als die Strategie des Kommunismus. Die Kommunisten erklären das offen. Als Realisten gehen sie allerdings davon aus, daß dieses Endziel nur Schritt für Schritt, im Laufe einer längeren historischen Periode (...) erreicht werden kann.“ („Globale Probleme der Gegenwart“)

Bei genauer Betrachtung der Agenda 21, der Klimarahmenkonvention sowie der Biodiversitäts-konvention wird deutlich, daß der Rio-Prozeß tatsächlich eine Fortsetzung der kommunistischen Weltrevolution mit anderen Mitteln ist.

Die Frage bleibt ungeklärt, worauf Frolow genau anspielte, als er behauptete, daß die sowjetische Wissenschaft bezüglich der Ökologieprobleme „einiges geleistet“ habe. Aber im Jahr 1982, also noch immer unter Breschnew, erklärte er, daß sich eine „Schicht von Kohlendioxid um die Erde“ gebildet habe, welche sie „wie eine Glasglocke“ umhülle, wodurch „die Gefahr ungünstiger Klimaveränderungen entstanden ist, welche unseren blauen Planeten in den nächsten Jahrzehnten in ein gewaltiges Treibhaus verwandeln könnte, mit vielleicht katastrophalen Folgen“. („Global Problems and the Future of Mankind“)

Auf diese Behauptung ließ Frolow die zwischenzeitlich allzu gut bekannten Schreckgespenster der globalen Klimaerwärmung folgen, welche fruchtbare Gebiete in Wüsten verwandeln sowie den Meeresspiegel steigen lassen würde, was die Überflutung weiter Küstenstriche zur Folge hätte. Auch das Ozonloch läßt Frolow nicht unerwähnt, dieses entsteht bei ihm jedoch nicht durch FCKW, sondern durch Überschallflugzeuge. In diesem Punkt war die marxistisch-leninistisch-ökologistische Theorie zum damaligen Zeitpunkt offenbar noch nicht ganz ausgereift.

Doch ungeachtet dessen betonte Frolow erneut, wodurch allein man die Gefahr abwenden könne: „Eine umfassende Lösung dieses Problems kann nur durch eine radikale soziale Umgestaltung der Welt und die Überwindung der Klassengegensätze erreicht werden“ (ebenda). Das heißt, wolle man die Gefahr der angeblich durch Kohlendioxid verursachten Klimakatastrophe abwenden, dann erfordere dies den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab. Das ist der Grund, warum nur ein Jahr nach der planmäßigen Umgestaltung des sowjetischen Stalinismus auf dem „Erdgipfel“ in Rio de Janeiro die Erdatmosphäre quasi verweltstaatlicht wurde. Wird dieser Prozeß wie geplant fortgesetzt, dann müssen die Bürger und Unternehmen für die Nutzung der Luft, welche zuvor eine frei verfügbare Ressource war, zukünftig Gebühren bezahlen und zwar in Form von CO2-Emissionszertifikaten, deren Zuteilung in globalem Rahmen planwirtschaftlich erfolgt.

Bei genauer Betrachtung der Agenda 21, der Klimarahmenkonvention sowie der Biodiversitätskonvention wird deutlich, daß der Rio-Prozeß tatsächlich eine Fortsetzung der kommunistischen Weltrevolution mit anderen Mitteln ist. Und auch eine Aussage von Gorbatschow aus dem Jahr 1987 läßt keinen Zweifel aufkommen, auf welches Ziel die Entwicklung letztlich zustrebt: „Im Oktober 1917 brachen wir aus der alten Welt aus, lehnten wir sie endgültig ab. Wir gehen einer neuen Welt entgegen, der Welt des Kommunismus. Von diesem Weg werden wir nie abweichen!“ („Oktober und Umgestaltung: Die Revolution geht weiter“)

Der Weltkommunismus, den der Stalinismus nicht verwirklichen konnte, nimmt unter dem Deckmantel des globalen Umweltschutzes inzwischen immer deutlicher Gestalt an. Die Mittel mögen sich geändert haben, aber das Ziel ist stets dasselbe geblieben. Major Golitsyn warnte 1984 ausdrücklich davor, daß die bevorstehenden Liberalisierungen in der UdSSR nicht das Ende der kommunistischen Ideologie bedeuten würden. Noch in den neunziger Jahren versuchte er vergeblich, darauf aufmerksam zu machen, daß die Perestroika ein leninistisches Konzept ist, das keine echte Abkehr vom Klassenkampf bedeutet. Resigniert stellte er schließlich fest, daß man dies erst erkennen wird, wenn es zu spät ist („Der Perestroika-Betrug“). Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, daß das am Widerstand der USA beinahe gescheiterte Kyoto-Protokoll nur deshalb 2005 doch noch in Kraft treten konnte, weil es von Wladimir Putin ratifiziert wurde.

 

Torsten Mann, Jahrgang 1976, ist Buchautor und Publizist („Rote Lügen in grünem Gewand: Der kommunistische Hintergrund der Öko-Bewegung“, 2009 im Kopp-Verlag erschienen und vergriffen). Der studierte Maschinenbauer vertritt die These, daß der Kommunismus vor 25 Jahren nicht untergegangen ist, sondern unter Beibehaltung seiner Ziele lediglich eine Umgestaltung seiner Methoden vorgenommen hat.

Foto: „Treibhausgas“ CO2: Die Etablierung der These von der drohenden „Klimakatastophe“ ist Teil einer von sowjetischen Strategen entwickelten Langzeitstrategie, die zum weltweiten Sieg des Kommunismus führen soll

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen