© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/14 / 15. August 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Lautlose Gefahr
Marcus Schmidt

Die Diskussion über bewaffnete Drohnen läßt die deutsche Politik auch in den Ferien nicht los. Das gilt vor allem für den Bundestag.

Dieser hatte vor der Sommerpause intensiv und leidenschaftlich darüber gestritten, ob die Bundeswehr kampffähige Drohnen anschaffen darf. Die Sitzung des Verteidigungsausschusses zu diesem Thema – eine der wenigen dieses Gremiums, die öffentlich stattfand – stieß nicht nur bei den Medien auf großes Interesse. Am Ende traf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine Entscheidung, die alles offenließ. Ja, es werden Drohnen beschafft, die auch bewaffnet werden können. Darüber, ob die Bundeswehr dann tatsächlich auch die passenden Raketen für die unbemannten Flugzeuge erhält, wird indes erst später entschieden.

Nun wird auf den ferienbedingt deutlich gelichteten Fluren des Bundestages plötzlich erneut über Drohnen diskutiert. Doch diesmal geht es nicht um Flugobjekte mit dem Eisernen Kreuz auf dem Rumpf, sondern um Spielzeugdrohnen. Diese werden in Berlin immer beliebter und treiben den Sicherheitsbehörden in der Hauptstadt zunehmend den Schweiß auf die Stirn, berichtete Anfang der Woche der Spiegel. Seit Beginn des vergangenen Jahres seien vier unerlaubte Drohnenflüge im Regierungsviertel registriert worden, weiß das Magazin zu berichten. Die Bundestagsverwaltung habe am Reichstag sogar drei unbefugte Modellflüge „in der jüngeren Vergangenheit“ registriert.

Was sich zunächst wie eine Geschichte aus dem Sommerloch anhört, hat einen ernsten Hintergrund. Schon seit längerem warnen Experten davor, daß Terroristen die wenige Zentimeter große Modelldrohnen mit Sprengstoff bestücken und als fliegende Bombe einsetzen könnten. Im Internet, über das quasi jedermann die Flugobjekte für weniger als 300 Euro bestellen kann, kursieren bereits entsprechende Videos, in denen auf das explosive Potential der sehr wendigen und gut zu manövrierenden Modellflieger hingewiesen wird. Mit einer zur fliegenden Bombe aufgerüsteten Drohne, so die Befürchtung der Sicherheitsbehörden in Berlin, könnte der Terror quasi unbemerkt in das Regierungsviertel getragen werden. Ohne Vorwarnzeit und großen Aufwand könnten Terroristen so beispielsweise eine Bombe vor dem Bürofenster der Bundeskanzlerin im Kanzleramt oder auf der Kuppel des Reichstages explodieren lassen. Mit möglicherweise verheerenden Folgen. Aber auch die zahllosen Büros der Bundestagsabgeordneten wären für Attentäter ein aus ihrer Sicht lohnendes Ziel, das weltweite Schlagzeilen garantieren würde.

Was die Experten besonders beunruhigt: Gegen die fast lautlosen potentiellen Fernlenk-Bomben gibt es selbst dann, wenn sie rechtzeitig entdeckt werden, derzeit kaum eine zuverlässige Abwehrmöglichkeit. Von dem aus Sicherheitsgründen über dem Regierungsviertel bestehenden Flugverbot würden sich potentielle Attentäter jedenfalls nicht beeindrucken lassen.

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