© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/14 / 15. August 2014

Perfekte Illusion
Neuinszenierung der „Aida“ in der Arena von Verona
Sven Seeberg

Glaubt man den gängigen Opernführern, so gibt es zwei Aida-Aufführungen: eine irgendwo auf der Welt, die andere in der Arena von Verona. 1913 wurde dort die Wieder-Inbetriebnahme des 2000 Jahre alten römischen Bauwerks mit Verdis „Aida“ begangen; seitdem gehören die Arena und „Aida“ untrennbar zusammen. Die folgenden hundert Jahre wird dort ständig dieselbe Inszenierung aufgeführt, ein Ende ist nicht absehbar. Doch in diesem Jahr haben sich die Veranstalter an eine Neuinszenierung gewagt, die alte bleibt daneben im Programm.

Sprechen wir von der neuen, zunächst vom Musikalischen: Nach fünf Minuten ist die Güte einer „Aida“-Aufführung entschieden. Die nur zu bekannte Tonfolge der Arie „Celeste Aida“ ist unbestechlicher Gradmesser für einen gelungenen oder verpatzten Abend. Hier gelingt sie. Der Tenor Fabio Sartori als ägyptischer Feldherr und tragischer Held Radamès füllt das weite Oval der Arena mühelos mit seiner Stimme. Tausende lauschen andächtig. Mittlerweile ist es stockdunkel im Opernrund.

Besucher halten die Luft an

Die Qualität einer „Aida“-Inszenierung zeigt sich auch im zweiten Akt in der Massenszene des Triumphmarsches. In Verona ist Platz in Hülle und Fülle, Hunderte bevölkern die Bühne und die dahinter liegenden Ränge. Ein witziges Schattenspiel sorgt für Kurzweil. Doch das eigentliche Nadelöhr ist der dritte Akt. Mit spartanisch erscheinendem Zubehör wird die perfekte Illusion hergestellt. Das Nilufer, die Sandberge der Wüste, angedeutete Pyramiden, Kamelsilhouetten, die sich am Rande in der Dunkelheit als Karawanen unablässig ihren Weg bahnen. Hier weiß man nicht, wo man zuerst hinschauen soll.

Aida nimmt bekanntlich ein böses Ende. Die Vereinigung der Liebenden findet im Gewölbe statt, das ihr Grab werden soll. Lebendig begraben, so lautet das Urteil. In der Aufführung neigt sich der meterhohe glitzernde Turm, der im zweiten Akt aus den Beutestücken vor den Augen der Zuschauer in akrobatischer Manier errichtet wurde, langsam nach vorne. Erst glaubt man an eine optische Täuschung, doch dann hält man die Luft an, bis schließlich das Liebespaar unter den unaufhaltsam nach vorne kippenden Massen begraben wird. Ein leises, ein dramatisches Ende. Das gelingt nur in einer perfekten Inszenierung.

Die Opernfestspiele in der Arena von Verona gehen noch bis zum 7. September.

www.arena-verona.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen