© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/14 / 15. August 2014

Umwelt
Nicht nachhaltig
Heiko Urbanzyk

Die „Nachhaltigkeit“ rangiert als inhaltslose Floskel in der Politikersprache direkt hinter „alternativlos“ und in der Werbung von Unternehmen unter den meistgebrauchten Signalwörtern. Der Begriff aus der Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts fand erst spät den Weg in die Politik. In den Protokollen der Grünen-Bundestagsfraktion „von 1983 bis 1987 kommt ‘Nachhaltigkeit’ nicht vor“, stellt der Historiker Frank Uekötter in einem Nachhaltigkeitsschwerpunkt in Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ, 31-32/2014) fest.

Akteure der ökologischen Bewegung vermeiden mittlerweile den abgenutzten Begriff.

Der Begriff, so der Dozent für geisteswissenschaftliche Umweltforschung an der Universität von Birmingham, komme erst im Rahmen von internationalen Gremien auf. Die Brundtland-Kommission bei den Vereinten Nationen definierte Nachhaltigkeit 1987 erstmals: Nachhaltig sei „eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generationen entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“. Da heute jeder politische Schnellschuß und jeder billige Inlandsflug als nachhaltiger Erfolg verkauft wird, versuchen Akteure der ökologischen Bewegung mittlerweile, diese Floskel zu vermeiden.

Das weiß auch Uekötter, der in ihr einen „wohlklingenden Referenzpunkt ohne tiefere Bedeutung“ sieht. Dennoch möchte er das Wort bewahren und dessen Inhalte im Einzelfall erörtert wissen. „Wenn dann nur die altbekannten Worthülsen kommen, weiß man immerhin Bescheid.“

Der Spiegel-Redakteur Axel Bojanowski rechnet hingegen in derselben APuZ-Ausgabe mit der Nachhaltigkeit ab: „Auswirkungen von Eingriffen in die Natur sind zu komplex, um ihre Folgen auf die einfache Formel der Nachhaltigkeit zu bringen.“ Für präzise journalistische Berichterstattung sei der Begriff entgegen der Ansicht vieler Umweltjournalisten unbrauchbar.

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