© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Anhaltender Widerstand
Potsdam: In Brandenburgs Landeshauptstadt wird über den Wiederaufbau der Garnisionkirche gestritten
Christian Rudolf

Sie gilt seit Jahren als umstritten, die Potsdamer Garnisonkirche. Das hat Vorteile: Die Kirche ist zumindest in Brandenburgs Landeshauptstadt in aller Munde. Umstrittene werden wahrgenommen. Vergessen zu sein wäre unangenehmer. Dabei gibt es die Kirche, die 1730 bis 1735 vom Vater Friedrichs des Großen „zur Ehre Gottes“ erbaut wurde, gar nicht mehr in materieller Gestalt. Sondern nur mehr in den Herzen derer, die sie noch gekannt und derjenigen, die sich über alte Stadtansichten in das Vorkriegs-Potsdam verliebt haben.

Seit der Sprengung der Kriegsruine 1968 durch das SED-Regime und der Vertreibung einer aktiven protestantischen Gemeinde fehlt die markante Silhouette ihres Turms im Potsdamer Stadtbild. Da Potsdam ohne seine Barockkirche aber ist wie Köln ohne Dom, Hamburg ohne den „Michel“ oder Dresden ohne die Frauenkirche, soll sich das ändern.

Gegner sammeln erfolgreich Unterschriften

Nun ist Potsdam nicht Dresden, und die Sachsen ein anderes Völkchen als die Brandenburger. Vor allem verlor Potsdam nach der Etablierung der kommunistischen Herrschaft das traditionelle Bürgertum, anders als die Elbestadt oder viele thüringische Gemeinden. Die SED baute die Bezirkshauptstadt zu einem Verwaltungszentrum um, siedelte die Hochschule des MfS an und besetzte die Neubaugebiete mit Genossen. Gläubige Christen wurden weggeekelt oder verfolgt. Die vor dem Krieg von preußisch-deutschem Militär geprägte Stadt wurde rot.

Dresden hat unterdessen längst Nägel mit Köpfen gemacht, die wiederaufgebaute Frauenkirche ist seit 2005 wieder der Stolz der Stadt und Besuchermagnet für Einheimische und Touristen. Potsdam macht hingegen wieder einmal durch seine unnachahmliche Streit- und Verhinderungskultur von sich reden. Daß die Dinge einmal glatt über die Bühne gingen, ist hier unbekannt. Die umbenannte SED stellt seit 1990 die stärkste Fraktion im Stadtparlament und kämpft heute als Linkspartei ungeniert gegen den Wiederaufbau. Zu Jahresbeginn konnte das friderizianische Stadtschloß als Sitz des Brandenburgischen Landtags unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wiedereröffnet werden. Dem Wiederaufbau vorausgegangen war indessen ein jahrzehntelanges Hickhack.

Seit 2008 bemüht sich eine kirchliche Stiftung um den Wiederaufbau zunächst des Turms der Garnisonkirche. Die Bedingungen dafür stehen eigentlich nicht schlecht. Im Kuratorium sind neben der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg und der EKD die Stadt Potsdam und das Land Brandenburg vertreten. 31 Stadtverordnete sind Mitglied der Stiftung, viele Prominente, darunter Günther Jauch, Wolfgang Joop, der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) oder Altbundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU), stehen mit ihrem Namen und Spenden für den Wiederaufbau ein. Ein großer Schub war vor einem Jahr die Förderzusage der Bundesregierung über zwölf Millionen Euro, die das Projekt als ein Vorhaben von nationaler Bedeutung einstufte. Und das wiedererrichtete Stadtschloß in Sichtweite zeigt: Es geht, Rekonstruktionen historischer Gebäude können gelingen. Eine rührige und gut vernetzte Fördergesellschaft mit 900 Mitgliedern wirbt vor Ort für den Wiederaufbau und unterhält eine Ausstellung über deren Geschichte. Bis 2017, dem 500. Jahrestag der Reformation, soll der Kirchturm mit Seitenflügeln wieder stehen.

Eine mehr als ehrgeizige Terminsetzung, aber machbar. Wäre da nicht der anhaltende Widerstand einer kleinen, aber entschlossenen Gruppe linksradikaler Gegner, deren harter Kern seit 1991 keine Gelegenheit ausläßt, die Kirche als umstritten und historisch belastet hinzustellen. Den drei Dutzend Mitgliedern der Initiative „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ um den Stadtparlamentsabgeordneten Lutz Boede gelang es jüngst, für ein Bürgerbegehren in der 160.000-Einwohner-Stadt 14.285 Unterschriften für eine Auflösung der Aufbau-Stiftung einzusammeln. Bei der Abstimmung darüber im Potsdamer Stadtparlament Ende Juli wandten die Mehrheitsfraktionen aus SPD, CDU, Grünen und unabhängigen Demokraten einen drohenden Bürgerentscheid durch einen Trick ab. Sie enthielten sich der Stimme. Weil die Linkspartei für das Bürgerbegehren votierte, gab es dafür formal eine Mehrheit. SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs ist nun kurioserweise aufgefordert, auf die Auflösung der Stiftung hinzuwirken, in deren Kuratorium er sitzt. Ein aussichtsloses Unterfangen, da die Stadt in dem 12köpfigen Gremium nur über einen Sitz verfügt – und im Endlosgezerre um den Wiederaufbau eines Potsdamer Wahrzeichens bestimmt nicht die letzte Posse.

Foto: Rekonstruiertes Kirchenportal: Potsdam ist nicht Dresden

 

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen