© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Auf dem Rücken der Kleinsten
Große Koalition: Der Vorstoß von Familienministerin Schwesig, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, stößt in der Union auf wenig Gegenliebe
Ekkehard Schultz

Kinder benötigen den besonderen Schutz der Gesellschaft. Dies wird nicht zuletzt dann immer wieder deutlich, wenn erschreckende Fälle von Mißbrauch und Vernachlässigung die Schlagzeilen der Medien beherrschen. Deswegen fordern Schutzorganisationen wie das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef und das Deutsche Kinderhilfswerk seit mehr als zwei Jahrzehnten die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz.

Gleichwohl ist ein solcher Schritt auf der politischen Ebene umstritten. Seit 1993 wurden mehrere entsprechende Gesetzentwürfe im Bundestag abgelehnt, zumeist von der Union, aber auch von der FDP. Denn Kritiker bestritten zumeist grundsätzlich, daß sich durch eine stärkere Integration von Kinderrechten in das Grundgesetz die konkrete Situation von Betroffenen tatsächlich verbessern würde. Anstatt „Unerfüllbares“ zu versprechen und „Symbolpolitik“ zu betreiben, sollten lieber Familien besser beraten und unterstützt werden, so etwa durch das im vergangenen Jahr eingeführte Betreuungsgeld.

Nun hat in der vergangenen Woche Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) einen neuen Vorstoß unternommen. Unterstützt vom Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), hob sie hervor, wie wichtig eine Besserstellung insbesondere für Pflegekinder wäre. Nach Ansicht von Scheele müßten gerade in diesen Fällen sowohl die „rechtliche Stellung des Kindes als auch der Pflegeeltern gestärkt“ werden. Dies sei in letzter Konsequenz nur durch eine entsprechende Verankerung im Grundgesetz möglich, so Scheele.

„Absurd, gefährlich, kontraproduktiv“

Damit bringen Scheele und Schwesig ihre Bündnispartner unter Zugzwang. Denn aus der Union folgte einerseits umgehend ein weitestgehend ablehnendes Echo. So gehen etwa der familienpolitischen Sprecherin Nadine Schön (CDU) die Forderungen der SPD „deutlich zu weit“.

Offenkundig sind die Ursachen für die Differenzen grundsätzlicher Art. So hob Schweswig bereits 2012 in einem Interview mit dem Deutschlandradio 2012 die Rolle des Staates bei Entscheidungen für das Kindeswohl besonders hervor. Dagegen möchte die Union die Rechte von Eltern gegenüber den Behörden nicht schwächen, sondern stärken. Ein größerer Einfluß staatlicher Instanzen auf die Familie, etwa durch die Jugendämter, lehnt sie weitestgehend ab. Diese Positionen scheinen kaum vereinbar.

Bereits 1993 versuchte die SPD, mit einem Gesetzesentwurf Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Doch der Antrag der SPD wurde von der damaligen schwarz-gelben Koalition ebenso abgelehnt wie die vergleichbare Forderung von 2007. Damals hatte die Union die Forderung nach einer entsprechenden Staatszielverankerung in der Verfassung als „absurd, sogar gefährlich und kontraproduktiv“ bezeichnet. Der damalige rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagesfraktion, Jürgen Gehb (CDU), hatte darüber hinaus darauf hingewiesen, daß ein derartiger Arikel eine „falsche Sicherheit“ suggeriere. Auf jeden Fall wäre „auch damit die Tötung von Kindern durch geistig verwirrte Mütter nicht verhindert worden“, so Gehb.

Konkrete Änderungsvorschläge

2012 scheiterten auch die Linkspartei sowie die Grünen mit ähnlichen Vorschlägen. Denn nach Ansicht von Union und FDP sind „Kinder auch nach geltender Gesetzeslage Träger von Grundrechten“. Zudem verwiesen sie auf bereits getroffene „vielfältige Verbesserungen“ bei den Rechten von Kindern, wie etwa durch das Bundeskinderschutzgesetz.

Um so stärker bemüht sich trotz dieser wiederholten Ablehnung das 2012 gegründete „Aktionsbündnis Kinderrechte“ aus Unicef Deutschland, dem Deutschen Kinderhilfswerk sowie dem Deutschen Kinderschutzbund darum, für einen solchen Schritt zu werben. 2012 wurde von dem Bündnis ein Gesetzesentwurf entwickelt. Dieser sieht die Aufnahme eines Artikel 2a in das Grundgesetz vor. Der lauten soll: „Jedes Kind hat das Recht auf Förderung seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten zur bestmöglichen Entfaltung seiner Persönlichkeit.“ In den zweiten Absatz soll der Grundsatz: „Die staatliche Gemeinschaft achtet, schützt und fördert die Rechte des Kindes. Sie unterstützt die Eltern bei ihrem Erziehungsauftrag“, verankert werden. Und für den dritten Absatz wird vorgeschlagen, dem Kind nicht nur „das Recht auf Beteiligung in Angelegenheiten, die es betreffen“, zu gewähren, sondern darüber hinaus die Meinung jedes Kindes „entsprechend seinem Alter und seiner Entwicklung in angemessener Weise zu berücksichtigen“. Dem Kindeswohl käme generell „bei allem staatlichen Handeln, das die Rechte und Interessen von Kindern berührt“, eine „vorrangige Bedeutung“ zu.

Kommentar Seite 2

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