© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Im Todeskampf
Medien: Gedruckte Tageszeitungen werden aussterben / Die Gründe dafür sind vielfältig
Paul Rosen

Dreieinhalb Jahrhunderte nach dem Erscheinen der ersten Tageszeitung in Deutschland, den Einkommenden Zeitungen des Leipziger Druckers Timotheus Ritzsch, und einer jahrzehntelangen Blüte nach dem Zweiten Weltkrieg befinden sich die Auflagen vieler Tageszeitungen im freien Fall. Teile der Tagespresse winden sich sogar im Todeskampf.

Kam das Drucken der Zeitungen jahrzehntelang einer Lizenz zum Gelddrucken gleich, so versuchen Verlage wie Springer sich ins Internet zu retten und stoßen den Printbereich ab. Informationen der Zukunft kommen aus dem Internet, oft direkt von der Quelle und sind nicht mehr gefiltert und politisch korrekt aufbereitet. Der Zeitungsleser wird damit aus der Bevormundung indoktrinierender Redaktionen entlassen. Sichtbar wird die neue Freiheit an Geräten wie Smartphone und Tablet, die viel mehr können, als die Zeitung an Information je liefern konnte. „Die digitale Revolution wird die Welt in den nächsten Jahren mehr verändern als die industrielle Revolution“, ist sich der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sicher.

Einige Zahlen sollen das Drama deutlich machen, das die Menschen in den Verlags- und Redaktionsetagen als Dauerzustand erleben. So nahm die verkaufte Auflage aller deutschen Zeitungen (einschließlich Sonntagsblätter) von 26,39 Millionen im vierten Quartal 2003 auf 20,1 Millionen im vierten Quartal 2013 ab. Bis zum Ende des zweiten Quartals 2014 fiel sie weiter auf 19,78 Millionen. Die Umsätze der Verlage brechen zusammen. Große Anzeigenmärkte wie der Auto-, Stellen- und Immobilienmarkt sind in das Internet abgewandert. Es gibt aber auch Gewinner, so die erfolgreiche Neugründung Landlust aus dem Landwirtschaftsverlag Münster mit rund einer Million Auflage oder kontinuierliches Wachstum bei wenigen Blättern wie der JUNGEN FREIHEIT.

Erste Blätter sind vom Markt verschwunden wie die Financial Times Deutschland. Auch die Frankfurter Rundschau konnte nur noch unter dem Dach der Frankfurter Allgemeinen überleben. Anfang März 2014 stellte die Münchener Abendzeitung Konkursantrag. AZ-Verleger Johannes Friedmann sagte: „Das, was eine typische Boulevardzeitung ausmacht, ist durch das Internet weitgehend bedeutungslos geworden. Unsere Leserschaft verringert sich laufend.“

In der Branche regiert Defätismus. So sagte der Geschäftsführer des Nordbayerischen Kuriers in Bayreuth, Michael Rümmeleder, über die Zukunft der Zeitung: „In 15, 20 Jahren wird es sie als gedrucktes Medium nicht mehr geben.“

Der Niedergang ist dramatisch. So verlor Springers Bild im vierten Quartal vorigen Jahres 192.065 Exemplare gegenüber dem vierten Quartal 2012 und kommt noch auf eine Auflage von 2,26 Millionen Exemplaren (genannt werden hier die „harten Zahlen“, daß heißt ohne Bordexemplare und verschenkte Exemplare). Vor gut zehn Jahren verkaufte Bild noch vier Millionen Exemplare. Auf jedem deutschen Bauarbeiter-Klo lag damals eine Bild-Zeitung. Heute spricht kaum noch ein Bauarbeiter deutsch. Bei Bild am Sonntag halbierte sich die Auflage von zwei auf eine Million. Auch Die Welt, die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Allgemeine kennen nur noch schwere Verluste.

Unter den regionalen Zeitungen gibt es die einstige SPD-Zeitung Westfälische Rundschau in Dortmund faktisch nicht mehr, viele andere Titel verloren die Selbständigkeit. Den Wochenmagazinen geht es genauso schlecht wie der Tagespresse. Der frühere Stern-Vizechef Steffen Klusmann zog einen historischen Vergleich: „Die letzte Postkutsche war wahrscheinlich die beste, die jemals gebaut wurde. Aber die Technologie war einfach zu Ende, das war kein Qualitätsproblem.“

Einer der Gründe für Niedergang und Todeskampf wird von Verlegern Chefredakteuren und Blattmachern ignoriert: Heutige Journalisten schreiben massiv gegen die Interessen der Leser an. Wichtige Themen wie der Verfall der öffentlichen Ordnung und Infrastruktur, die wachsende Kriminalität und der Wertverfall der Währung werden gemieden, der „Kampf gegen Rechts“ wird von den Redaktionen dagegen mit besonderer Schärfe geführt.

Nach Ansicht des ehemaligen Chefredakteurs Wolfgang Bok (Heilbronner Stimme) hat die „Generation Greenpeace“ in den Verlagshäusern die Macht übernommen: „Sie ist mit der ständigen Apokalypse aufgewachsen. Der grüne Alarmismus ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Das ist viel schlimmer als eine Gleichschaltung, wie man sie aus autoritären Staaten kennt.“

Den Niedergang der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in Essen sollte der als harter Sanierer bekannte Schweizer Rolf Bollmann aufhalten. Bollmann kam zur Freude der WAZ-Journalisten jedoch nicht. Sein Urteil über die Zeitungsredaktionen ist drastisch: „Wenn die Leser wüßten, welche zum Teil widerlichen Figuren im Journalismus rumturnen und was für Taugenichtse solche Artikel schreiben, dann kämen bei ihnen einige Fragezeichen auf.“ Der Schriftsteller Akif Pirincci („Deutschland von Sinnen“) meint, zur Zeitung könne nur, wer an „den Klima-erwärmung-Erneuerbare-Energie-und-Zuwanderer-sind-alle-Herzchirurgen-und-Atomphysiker-Scheiß glaubt“. Der Kommunikationsberater Hasso Mansfeld sieht Selbstbespiegelung statt Recherche und Analyse: Mansfeld erläutert am Beispiel des guten Abschneidens des Front National bei den Europawahlen: „Statt über ein Ereignis weitere Neuigkeiten zusammenzutragen, schreibt uns der jeweilige Reporter beispielsweise, was ‘er fühlte’, als er von dem Ereignis aus den Agenturen erfahren hatte.“

Drei weitere Entwicklungen beschleunigen den Niedergang: Geburtenrückgang, Familienzerfall und Bildungspolitik. Menschen, die nie geboren wurden, können auch keine Zeitung lesen. Tageszeitungen waren immer auch Familienangelegenheit, sind es aber immer seltener in Zeiten höchster Scheidungsraten bei entsprechendem Zuwachs an Single-Haushalten. Und eine immer größer werdende Zahl junger Menschen versteht die Texte einer Tageszeitung kaum noch.

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung gibt ebenso offen wie leicht weinerlich zu, daß es zu Ende geht: „Wir Journalisten haben das Monopol als Experten für Nachrichten und Kommentare ein für allemal verloren.“ Der amerikanische Publizist David Carr geht in seiner Prognose noch einen Schritt weiter: „Gedruckte Tageszeitungen werden aussterben wie Analogfotografie und Videotheken.“

Foto: Tageszeitung am Boden: Geburtenrückgang, Familienzerfall und Bildungspolitik beschleunigen den Niedergang

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