© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Es war nicht alles schlecht
„Keine Kohle in der Tasche und trotzdem viel gelacht“: DDR-Rechtfertiger berufen sich auf die Pop-Gruppe Die Prinzen
Robert Backhaus

Es war nicht alles schlecht.“ Das ist momentan das Lieblingsmotto, unter dem (etwa im Mitteldeutschen Rundfunk oder im Berliner Aufbau- Verlag) die Vergangenheit der DDR „aufgearbeitet“ wird. SED-Bonzen von anno dunnemals melden sich zu Wort beziehungsweise werden beflissen befragt und schwärmen etwa von volksdemokratischen Gebrauchsgütern aus „Plaste und Elaste“ oder von „FDGB-Reisen“ der Werktätigen.

Die Kampagne wirkt äußerst penetrant und verlogen, und mit am penetrantesten wirkt der ewige Hinweis auf die Leipziger Pop-Gruppe Die Prinzen, die das Ganze in Gang gesetzt habe. Die Ur-„Prinzen“, wird einem immer wieder erzählt, seien seinerzeit – noch in der DDR – allesamt aus dem Leipziger Thomaner-Chor und dem Dresdener Kreuzchor hervorgegangen, eine hochachtbare Truppe also, die gewiß keine Spätpropaganda für die Partei machen wolle.

Tatsächlich haben Die Prinzen 2010 ein Best-of-Album samt Video unter dem Titel „Es war nicht alles schlecht“ herausgebracht; der Hauptsong klingt gut und geht zu Herzen. Doch was hört und sieht man? Ein eher melancholischer Blondschopf singt über seine frühen Jugendtage. „Keine Kohle in der Tasche und trotzdem viel gelacht. / Wenn der Kühlschrank leer war, etwas zu essen ausgedacht. / Urlaub im Schlafsack, nicht in Daunenfedern / Und zum ersten Mal auf eigenen vier Rädern (…).“ Und als Refrain: „Es war nicht alles schlecht.“

Es handelt sich um ein vollkommen unpolitisches Lied. Als Leitmelodie einer hinterfotzigen, wohlarrangierten Rechtfertigungskampagne taugt es wahrhaftig nicht. Gereifte Sänger erinnern sich, mit welchem Elan und Amüsement sie einst die Abenteuer ihrer Jugend gemeistert haben. So etwas kommt überall auf der Welt und in jeder Generation vor, einerlei, wer in irgendwelchen Politbüros gerade das Zepter schwingt.

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