© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Megawattgroßer Forschungsbedarf
„Power to Gas“: Für eine erfolgreiche Energiewende fehlt noch die Speichertechnik
Heiko Urbanzyk

Erneuerbare Energien decken derzeit zu 27 Prozent unseren Strombedarf. Unglücklich und verschwenderisch ist jedoch das Nebeneinander der Erneuerbaren und der klassischen Kraftwerke. Letztere wollen die Betreiber nur ungern herunterfahren, weil sie in Schwächezeiten von Wind und Sonne nur mit Verzögerungen wieder einsatzbereit wären. Die Folge: „Blackouts“ durch Strommangel. Läßt man jedoch alles Mögliche an Stromversorgung parallel laufen, ist dies nicht nur unnötig teuer. Die zu bestimmten Zeitpunkten unzweifelhaft vorhandenen Ökostromüberschüsse würden ebenso das Netz gefährden. Paradoxe Folge: „Blackouts“ durch Stromüberschüsse. Nur wenn es gelingt, die unzweifelhaft zu bestimmten Zeitpunkten vorhandenen Stromüberschüsse aus regenerativen Energieanlagen langfristig speichern und bei Bedarf kurzfristig abrufen zu können, wird die Energiewende zu einem sinnvollen und zukunftsträchtigen Projekt. Doch wie das Problem lösen?

Pumpspeichertechnik stößt an Grenzen

Die mit Abstand effektivsten Stromspeicher sind zur Zeit Pumpspeicherkraftwerke. Bei diesen wird überschüssiger Strom dazu verwendet, Wasser in ein höher gelegenes Oberbecken zu pumpen. Wird Strom benötigt, läßt man das Wasser wieder abwärts in das Unterbecken schießen und auf dem Weg dahin eine Stromturbine antreiben. 30 Anlagen dieser Art sind in Deutschland in Betrieb. Vorwiegend in den Mittelgebirgsregionen, da es vor allem dort gute natürliche Voraussetzungen gibt. Der Wirkungsgrad liegt bei 60 bis 80 Prozent. Der Deutschen Energie-Agentur (dena) zufolge handelt sich um die am besten entwickelte Technologie zur Stromspeicherung. Sie sei wirtschaftlich und flexibel, da man mit ihr stundengenau auf Netzschwankungen reagieren könnte. Pech für die Deutschen: Der enorme Flächenverbrauch und ökologische Auswirkungen durch massive Landschaftseingriffe setzen der hochgradig effektiven Zukunftstechnik enge Grenzen.

Das Zauberwort für die Zukunft heißt „Power to Gas“ – Strom in synthetisches Erdgas umwandeln. Dies betonte Claudia Kemfert (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) während einer Expertenanhörung vor dem Umweltausschuß des Bundestages im April. „Power to Gas“-Technologie müsse gefördert werden, um mit Hilfe der Energiewende die starke Abhängigkeit von ausländischen Gasimporten zu überwinden. Anke Tuschek vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. schloß sich der Stoßrichtung an.

Hierfür muß Strom im Wege der Elektrolyse zunächst in Wasserstoff umgewandelt werden. Sodann erfolgt dessen Methanisierung zum synthetischen Erdgas. Dieses könnte in Erdgasleitungen gespeichert und verteilt werden. Die Infrastruktur hierfür ist in Deutschland teilweise bereits vorhanden. Neben 47.000 Kilometern Fernleitungen bestehen 50 unterirdische Gasspeicher, die 20 Prozent des deutschen Jahresverbrauchs fassen könnten.

Aber der Forschungsbedarf beim „Power to Gas“ ist noch sehr groß. Die alkalische Elektrolyse zur Wasserstoffgewinnung ist ein lange bekanntes, aber ebenso energieverschwenderisches Verfahren. Modernere Ansätze werden zur Zeit noch untersucht und sind – wenn überhaupt – nur in Kleinprojekten im Einsatz.

Bei der Methanisierung wird aus Wasserstoff (H2) und Kohlenstoffdioxid (CO2) bzw. Kohlenstoffmonoxid (CO) synthetisches Methan (CH4) erzeugt. Genial: Das CO2 aus Kohlekraftwerken könnte über den Umweg der umstrittenen CO2-Speichertechnik Carbon Capture and Storage (CCS) zur Erdgaserzeugung verwendet werden. Auch Biogasanlagen können das CO2 liefern und werden dies wegen der Klimapolitik der Bundesregierung auch müssen – soll doch künftig möglichst keine Kohle mehr verbrannt werden. Obwohl die Methanisierung seit den siebziger Jahren als technisches Verfahren in der Industrie eingesetzt wird, ist laut dena für „Power to Gas“ wegen besonderer Anforderungen an die Gasqualität eine Optimierung nötig. Selbst dann wird man noch vor dem Problem stehen, die entsprechenden Elektrolyseanlagen in das Stromnetz einzubinden.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gestand unlängst ein, daß die Bundesregierung die Komplexität der Energiewende unerschätzt habe. Es sei ein Fehler gewesen, der Schnelligkeit den Vorrang vor der Planbarkeit gegeben zu haben. Im Bundestag sollte man aus dieser späten Erkenntnis endlich die Konsequenzen ziehen und in die Erforschung dieser für eine „saubere Stromerzeugung“ unverzichtbaren Technologien investieren. So könnte die Energiewende in absehbarer Zukunft doch noch eine Erfolgsgeschichte werden, um die man uns im Ausland beneidet und nicht bemitleidet.

www.powertogas.info

Foto: Elektrolyseanlage zur Herstellung von Wasserstoff in Grapzow, Mecklenburg: Für eine nichtfossile Stromerzeugung unverzichtbare Technik

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