© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Umwelt
Explosives Strandgut
Tobias Schmidt

In den Weltmeeren verrotten über eine Million Tonnen Munition aus zwei Weltkriegen. Und in Deutschland? Stefan Nehring beschreibt im Magazin Waterkant eine unterschätzte Gefahr. Für die Nord- und Ostseeregion verzeichnet er knapp 40 kampfmittelverseuchte Seeflächen, die auf amtlichen Seekarten ausgewiesen sind. Hinzu kämen nach seinen Recherchen rund 80 weitere verseuchte Gebiete. Allein vor Usedom warfen britische Bomber 1943 etwa 40 Prozent ihrer 1.874 Tonnen Bomben ins Meer anstatt auf die Heeresversuchsanstalt für Raketenforschung. Weißer Phosphor trete aus den Brandbomben aus und werde an die Strände gespült. „Nicht einmal ein Sammelprofi kann die gelblichen Phosphorklumpen von Bernstein unterscheiden.“ In der Folge komme es immer wieder zu schrecklichen Unfällen – 175 dokumentiert Nehring allein für Usedom.

Technisch machbar sei es, die Munition auszuspülen und auf Schiffe zu pumpen.

Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Warnschilder würden „nicht prominent am Ort des Geschehens, dem Spülsaum, sondern bis heute nur unscheinbar an ausgewählten Strandzugängen“ aufgestellt, kritisiert er. Die Sprengung maritimer Großmunition vor Kiel in den siebziger Jahren habe das dortige Problem nur verschärft. Sprengstoffe blieben erhalten und wurden in größeren Mengen an Badestrände gespült. Auch Wangerooge hat Phosphorunfälle zu beklagen.

Unverständlich findet es Nehring, daß ein Expertenkreis von Bund und Ländern „weiterhin keine Ambitionen hat (…), endlich den Eintrag aller munitionsverseuchten Flächen auf den Seekarten einzufordern“. Risikostrände müßten identifiziert, mit einem Bernsteinsammelverbot belegt und umfassend saniert werden. Maritime Großmunition könne nicht geborgen werden. Technisch machbar sei es aber, die Munition auszuspülen, auf Schiffe zu pumpen und kostengünstig zu entsorgen – und zwar nicht im Meer.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen